Zu lang, zu dunkel, zu wenig genutzt: Mehr als die Hälfte der Zebrastreifen in Trier wird entfernt

Trier · Weil der Bund strengere Auflagen stellt, werden 138 von 239 Zebrastreifen in Trier entfernt. Die übrigen werden aufgerüstet oder durch Ampeln ersetzt. Das wird nicht günstig.

 Der Zebrastreifen gegenüber der Uni Trier in Tarforst wird durch eine Fußgängerampel ersetzt.

Der Zebrastreifen gegenüber der Uni Trier in Tarforst wird durch eine Fußgängerampel ersetzt.

Foto: Friedemann Vetter

Wenn es um Zebrastreifen geht, hat Baudezernent Andreas Ludwig eine klare Meinung: "Sie bieten oft nur eine Scheinsicherheit." Ein Auto hält zu spät an, ein Fußgänger springt plötzlich auf die Straße - und schon ist ein Zusammenstoß unvermeidlich. Das beweist laut Ludwig auch die Unfallschwerpunktliste, die immer wieder schwere Unfälle an und auf Zebrastreifen ausweist. Die Polizei Trier teilt auf TV-Anfrage mit: Im Stadtgebiet gab es 2016 insgesamt 61 Verkehrsunfälle, bei denen Fußgänger verletzt wurden. An Zebrastreifen wurden dabei sieben Menschen verletzt. Davon erlitten zwei schwere und fünf leichte Verletzungen.
Nun ist das Argument desBaudezernenten ohnehin nicht die Hauptursache dafür, dass bald mehr als die Hälfte aller Zebrastreifen in Trier verschwindet - nämlich 138 von derzeit 239 Fußgängerüberwegen, wie sie im Fachjargon heißen. Dafür verantwortlich ist in erster Linie die im Jahr 2001 vom Bund erlassene Richtlinie für Fußgängerüberwege (R-FGÜ 2001). Genossen ältere Zebrastreifen bislang Bestandsschutz, ist es damit nun vorbei: "Es gibt einen Erlass der Bundesverkehrsbehörde, der vorschreibt: Unnötige Überwege sind abzubauen, neue haben den aktuellen Richtlinien zu entsprechen", erläutert Georg Gulla vom städtischen Tiefbauamt.

Unnötig - das ist allerdings ein Attribut mit Interpretationsspielraum. Eine Arbeitsgemeinschaft von Experten des Tiefbauamts, der Polizei, des Landesbetriebs Mobilität (LBM) sowie die jeweiligen Ortsvorsteher begutachten deshalb die Trierer Zebrastreifen, unter anderem unter den Aspekten der Auslastung, Beleuchtung, Markierung und Verkehrszeichen. Das (vorläufige) Resultat: Bei 26 Anlagen sind nur kleine Anpassungen nötig, um die Vorgabe des Bundes zu erfüllen. 42 Zebrastreifen sind Teil einer sogenannten Verkehrsschau - sie müssen weiterhin beobachtet werden - zum Beispiel im Hinblick darauf, wie oft sie überhaupt genutzt werden. 33 Anlagen werden fußgängergerecht umgebaut, etwa mit einer "Insel" (Querungshilfe) in der Mitte der Straße oder einer Fußgängerampel. Den größten Teil, die bereits erwähnten 138, nehmen die Zebrastreifen ein, die komplett entfernt werden. Die Kosten dieser Vorhaben beziffert Gulla auf rund 940?000 Euro. Besondere Aufmerksamkeit genießen laut Stadtverwaltung Überwege in der Nähe von Schulen, Kitas, Altenheimen und Krankenhäusern (Ludwig: "Der sichere Schulweg geht vor").

Bleiben nach jetziger Schätzung in Trier also noch rund 100 Anlagen übrig, gibt es in der 3,5-Millionen-Einwohner-Stadt Berlin auch nur rund 400 dieser Überwege. Und doch interessiert man sich in der Hauptstadt sogar für die Trierer Zebrastreifen. So hat sich der Verein FUSS, der Fachverband Fußverkehr in Deutschland, Anfang März mit einigen Fragen an die Stadtverwaltung gewandt, "da die Stadt Trier knapp 58 Prozent ihrer Zebrastreifen entfernen will". Das werde starke Auswirkungen auf den Fußverkehr in der Stadt haben. Laut FUSS hat die Zahl der verunglückten Fußgänger in Trier von 2012 bis 2016 um rund 22 Prozent zugenommen. Deshalb wolle der Verein wissen, ob finanzielle Aspekte im Vordergrund ständen. Interessant sei auch die Frage, wie die Stadt in Zukunft das Überqueren der Straßen für Fußgänger an den Stellen, wo Zebrastreifen entfernt werden sollen, komfortabel und sicher gestalten werde. "Wir haben bislang - trotz Mahnung - keine Antwort bekommen", kritisiert Stefan Lieb gegenüber dem TV.

Die gibt's am Dienstagabend aber im Dezernatsausschuss III - zum Beispiel auf die Frage von SPD-Stadtrat Thomas Neises, was denn passiere, wenn die Stadt die Vorgaben des Bundes einfach nicht umsetze. "Bei Vorsatz greift keine Versicherung. Wenn dann ein Unfall passiert, haftet die Stadt, und am Ende kann ein Mitarbeiter privat strafrechtlich zur Verantwortung gezogen werden. Da muss ich mich schützend vor meine Leute stellen", pariert Baudezernent Ludwig. Karl Biegel (CDU) gibt zu bedenken, dass der Fußgänger immer das schwächste Glied in der Kette sei. "Und die Frage ist, ob ich dem schwächsten Glied so gerecht werde oder eher dem Autofahrer." Richard Leuckefeld (B90/Grüne) regt an, die Umgestaltung der Überwege mit einer großen Kampagne zu begleiten, die deutlich mache, welche Rechte Fußgänger im Straßenverkehr haben - um so die Autofahrer zu sensibilisieren. Andrea Kobs, Leiterin des Straßenverkehrsamts, dazu: "Wir beabsichtigen eine Öffentlichkeitskampagne." Info

Diese Vorgaben muss ein Fußgängerüberweg erfüllen: Die Richtlinie R-FGÜ 2001 besagt unter anderem, dass ein Zebrastreifen nicht auf drei Fahrspuren verlaufen darf. Die zulässige Höchstgeschwindigkeit beträgt 50 km/h, in einer 30er-Zone seien die Überwege verzichtbar. Nicht erlaubt sind sie auf Straßenabschnitten mit koordinierten Ampelanlagen, der sogenannten Grünen Welle (wobei böse Zungen behaupten, dass das in Trier ohnehin keine Rolle spielt). Es sind mindestens 50 Fußgänger in der Spitzenstunde und 200 Kraftfahrzeuge auf der Straße nötig - und höchstens 150 Fußgänger bei gleichzeitig 300 Kraftfahrzeugen. Der Zebrastreifen muss ordentlich markiert, beschildert und beleuchtet sein. Kommentar

 Dieser Zebrastreifen am Hauptbahnhof befindet sich noch in der Verkehrsschau.

Dieser Zebrastreifen am Hauptbahnhof befindet sich noch in der Verkehrsschau.

Foto: Rebecca Schaal
 Weil Autofahrer beim Abbiegen ohnehin auf Fußgänger achten müssen, wird dieser Zebrastreifen in der Hohenzollernstraße entfernt.

Weil Autofahrer beim Abbiegen ohnehin auf Fußgänger achten müssen, wird dieser Zebrastreifen in der Hohenzollernstraße entfernt.

Foto: Friedemann Vetter
Dieser Zebrastreifen in der Luxemburger Straße wird entfernt.

Dieser Zebrastreifen in der Luxemburger Straße wird entfernt.

Foto: Friedemann Vetter
 Der Zebrastreifen in der Hornstraße (Trier-West) bleibt bestehen.

Der Zebrastreifen in der Hornstraße (Trier-West) bleibt bestehen.

Foto: Friedemann Vetter

Am Ende hilft nur eines

"Die Hölle, das sind die anderen" heißt es im Stück "Geschlossene Gesellschaft" des französischen Philosophen Jean-Paul Sartre. Das klingt verdächtig nach dem alltäglichen Verkehrs-Wahnsinn in Trier: Die Autofahrer, das sind die schlimmsten. Die Radfahrer auch. Und die Fußgänger sowieso. Je nachdem, wer gerade gefragt wird.

Allen drei Gruppen möchte man zurufen: Probiert's mal mit Gelassenheit! Mit Verständnis, mit Umsicht und mit gesundem Menschenverstand. Was selbstverständlich sein sollte, wird nach dem Um- und Abbau der Zebrastreifen in Trier nötiger sein denn je. Fußgänger laufen nicht unvermittelt auf die Straße, Autofahrer achten - zum Beispiel beim Abbiegen - verstärkt auf Fußgänger und drosseln ihr Tempo entsprechend, und Radfahrer machen gleich beides. Schon wäre viel dafür getan, schlimme Unfälle auf Triers Straßen zu vermeiden - und das ist schließlich in jedermanns Interesse.

Ob gut gemeinte Worte in Form dieses Kommentars oder einer großen Kampagne allerdings fruchten, darf bezweifelt werden. Und dann hilft doch nur eines: Kontrollen - und bei Verstößen Geldbußen. r.schaal@volksfreund.de 

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