Silvester-Schlägerei in Konz: Angebliches Opfer könnte Täter sein

Konz · Die Prügelei vor drei Monaten am Bahnhof Konz hat in der Stadt für Diskussionen gesorgt. Jetzt ist klar: Nichts ist so, wie es ursprünglich schien, und Täter und Opfer tauschen die Rollen.

Ein 47-jähriger Mann meldet der Polizei am Silvesterabend, dass er am Bahnhof Konz zusammengeschlagen worden sei. Eine „sechs- bis achtköpfige Gruppe Jugendlicher südländischen Aussehens“ habe ihn beleidigt. Dann hätten ihn zwei junge Männer aus der Gruppe attackiert - auch mit einem Teleskopstock. So gibt der Leitende Oberstaatsanwalt in Trier, Peter Fritzen, die damalige Aussage des mutmaßlichen Opfers wieder. Zudem habe der Mann angegeben, dass die Jugendlichen ihm seine Geldbörse gestohlen hätten.

War zwischenzeitlich schon davon die Rede, dass gegenseitige Provokationen die Schlägerei ausgelöst haben könnten , heißt es heute, fast drei Monate nach dem Vorfall, dass der Sachverhalt aufgeklärt sei - und es ist anders gekommen, als ursprünglich gedacht. Die Bundespolizei hat inzwischen einen 18-jährigen Türken aus Konz ermittelt, der an der Schlägerei beteiligt war. Doch nicht mehr dieser, sondern das angebliche Opfer steht nun im Fokus der Ermittler, weil es die Fakten verdreht haben soll. Fritzen sagt: "Die Staatsanwaltschaft geht nach den im Rahmen der Ermittlungen gewonnenen Erkenntnissen nicht von einem grundlosen Angriff des 18-Jährigen, sondern von einem Handeln in Notwehr aus."

Zu dem Ergebnis kommen die Ermittler vor allem durch die Aussage eines Unbeteiligten, der das Geschehen beobachtet und dem 47-Jährigen nach der Schlägerei geholfen hat. Während das angebliche Opfer, das laut Fritzen erheblich alkoholisiert war, im Lauf des Ermittlungsverfahrens Gedächtnislücken geltend machte, liefert der neutrale Zeuge eine detaillierte Version des Geschehens. Aus Sicht der Ermittler ist sie viel glaubwürdiger als die des 47-Jährigen: Laut der Zeugenaussage hält sich der 18-Jährige aus Konz am Silvesterabend mit einer weiteren Person am Bahnsteig auf, als der 47-Jährige hinzukommt. Nach einem Gespräch fängt der ältere Mann an, die beiden jungen Leute zu beleidigen. Irgendwann schlägt der 47-Jährige zu. Nach Angaben des Zeugens ist er der Aggressor, nicht die Jugendlichen.

Der 18-Jährige habe sich gewehrt und dem 47-Jährigen mit der Faust ins Gesicht geschlagen, gibt Fritzen die Zeugenaussage weiter wieder. Der Ältere sei dann zu Boden gegangen. Die beiden jungen Leute sowie weitere in der Zwischenzeit hinzugekommene Jugendliche hätten daraufhin den Tatort verlassen. "Der 47-Jährige hat einen Nasenbeinbruch und ein leichtes Schädel-Hirn-Trauma erlitten", sagt Fritzen. Trotzdem hält er den Mann nicht für das Opfer: "Da die Angaben des Zeugens unter Berücksichtigung der sonstigen Ermittlungsergebnisse glaubhaft waren, ist das Verfahren gegen den 18-Jährigen eingestellt worden. Nach den Ermittlungen ist davon auszugehen, dass sein Faustschlag durch Notwehr gerechtfertigt war."

Und für den 47-Jährigen kommt es sogar noch dicker: Die Staatsanwaltschaft ermittelt gegen ihn wegen Vortäuschens einer Straftat, Beleidigung und Körperverletzung.

POLITISCHE INITIATIVE FÜR KAMERAÜBERWACHUNG
Im Gegensatz zu den Ermittlern kann das Konzer Rathaus noch keine neuen Ergebnisse melden. Nach der Schlägerei hatte die CDU-Fraktion im Konzer Stadtrat angeregt, an allen Konzer Bahnhöfen Kameras zu installieren. Der Rat hat daraufhin die Verwaltung beauftragt, die Deutsche Bahn aufzufordern, Kameras zu installieren . Laut Michael Naunheim, Pressesprecher im Konzer Rathaus, hat die Verwaltung nun einen Brief an die Deutsche Bahn abgeschickt, in der die Forderungen nach Kameras formuliert sind. Eine Antwort des Großkonzerns steht laut Naunheim noch aus. Kommentar

Durchatmen statt losrufen

Es sind solche Straftaten, die für größtmögliche Aufmerksamkeit sorgen: Eine Gruppe junger Ausländer soll einen Mann mittleren Alters grundlos zusammengeschlagen haben. Genau das war die Kernbotschaft der ersten Meldung von dieser Tat. Solch eine Nachricht lässt viele aufhorchen - und sie zieht in der Regel einen Rattenschwanz voll von unnötiger Angst und widerlichem Hass hinter sich her. Auch in diesem Fall war - zumindest in den sozialen Netzwerken - das Hassgetöse nicht zu überhören. Gerade deshalb ist der Erfolg der Ermittler wichtig. Denn er zeigt, dass die Dinge oft viel komplizierter sind, als sie zunächst erscheinen. Deshalb ist es ratsam, erstmal durchzuatmen, den obligatorischen "Es-wird-immer-schlimmer-Ruf" wegzuschlucken und die Ermittler ihre Arbeit machen zu lassen. Dann kann man immer noch eine Meinung formulieren. c.kremer@volksfreund.de

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