Fusionspläne im Bistum: Ganz Trier eine Pfarrei?

Trier · Was passiert mit dem Besitz der bisherigen Pfarrgemeinden? Wo finden künftig noch Gottesdienste statt? Nach der Ankündigung des Bistums, ganz Trier zu einer Großpfarrei zusammenzufassen, haben die Katholiken viele Fragen. Aber auch ganz pragmatische Lösungsansätze.

 ?Pfarrei der Zukunft? nennt das Bistum den Plan, 26 Pfarrgemeinden in und um Trier ? auf unserem Foto der Blick auf die Stadt vom Kreuz an der Mariensäule ? zu einer Verwaltungsgröße zusammenzufassen.

?Pfarrei der Zukunft? nennt das Bistum den Plan, 26 Pfarrgemeinden in und um Trier ? auf unserem Foto der Blick auf die Stadt vom Kreuz an der Mariensäule ? zu einer Verwaltungsgröße zusammenzufassen.

Foto: Friedemann Vetter

Sonntagmorgen, 9 Uhr, Kirche Heiligkreuz. Pfarrer Theo Welsch hat sein altrosafarbenes Gewand angelegt, rund 60 Gottesdienstbesucher sind gekommen. Nur die Messdiener fehlen. Das kommt schon mal vor in Heiligkreuz. Nachwuchssorgen hat die Kirche auch auf dieser Ebene.

Welsch beginnt den Gottesdienst ohne Helfer, was für den puren liturgischen Ablauf kein Problem bedeutet. Aber als der Pfarrer mit der Wandlung der Oblate in Christi Leib beginnt, steht plötzlich ein Mann aus der Kirchenbank auf, geht nach vorne zum Altar und läutet die Schellen, die sonst die Messdiener zur Wandlung klingeln lassen. Eine kleine Geste nur, aber auch ein Zeichen, wie es mit der Kirche weitergehen kann. "Der Mann hat's einfach gemacht, ohne große Absprache, schlicht, damit wir die Eucharistie schön feiern können", sagt Pfarrer Welsch, "übernehmen Leute Verantwortung in ihrer Kirche, dann kann auch alles andere weiterlaufen."

Seinen zweiten Gottesdienst hält Welsch an diesem ersten sonnigen Frühlingssonntag um 11 Uhr nur wenige Kilometer weiter in St. Michael. Seinen Worten in dem modernen Kirchenbau im Stadtteil Mariahof lauschen rund 100 Gläubige. Thema der Predigt: die bevorstehende Reform der Pfarreien-Zuschnitte im Bistum . "Habt keine Angst, sondern Mut!", appelliert der 60-Jährige an seine Gemeinde. "Die Zahl der Pfarrer geht zurück, es gibt immer weniger hauptamtliche Mitarbeiter und auch weniger Gläubige. Lamentieren hilft da nicht, wir müssen reagieren und die Weichen für die Zukunft stellen", predigt der Kirchenmann. Der beste Ausgangspunkt für die anstehenden Gespräche, wie die Strukturen im Detail geändert werden können, sei eine lebendige Gemeinde. "Gut besuchte Gottesdienste werden ein starkes Argument sein für den Erhalt der jeweiligen Kirche."

Nach dem Hochamt halten einige Gemeindemitglieder auf dem sonnigen Kirchenhof noch einen kleinen Schwatz. In der Pfarreiengemeinschaft St. Michael, Heiligkreuz und St. Maternus ist das Gemeindeleben noch lebendig. Tanzgruppen, Gesprächskreise, Deutschunterricht für Flüchtlinge, Gedächtnistraining für die Älteren und Suppentage mit kostenlosem Mittagessen stehen im Veranstaltungskalender.

"Alles Dinge, die nicht unmittelbar davon abhängig sind, dass wir eine eigenständige Pfarrei sind, sondern vom Engagement der Gemeindemitglieder ", sagt Marlene Bonertz, Mitglied im Pfarrgemeinderat Mariahof. Angst habe sie daher vor der Strukturreform nicht. "Aber wir werden wohl damit rechnen müssen, dass es in St. Michael nicht mehr jeden Sonntag einen Gottesdienst gibt, sondern vielleicht nur noch einmal pro Monat." Insbesondere ältere Menschen, die nicht mal eben mit dem Bus oder Auto zur nächsten Kirche fahren könnten, würde das treffen. "Dann müssen wir halt einen Fahrdienst einrichten", überlegt Reinhold Bonertz, Marlenes Ehemann und Mitglied im Pfarrverwaltungsrat.

Aber nicht auf alle Fragen der Strukturreform gibt es solche zumindest vermeintlich einfache Antworten. Etwa, was mit dem Kindergarten-Gebäude und dem Pfarrhaus passiert, die beide im Besitz der Pfarrei St. Michael sind. Zur Sanierung des Kindergartens hat die Gemeinde in den vergangenen Jahren einen großen Teil beigesteuert. Und aus den Einnahmen der Vermietung der Wohnung im Pfarrhaus werden Veranstaltungen finanziert. "Gerne werden wir unseren Besitz daher nicht an eine Großpfarrei abgeben", sagt Reinhold Bonertz.

Beim Bistum hat man auf diese Fragen noch keine Antwort. "Aber das sind alles Dinge, mit denen wir uns beschäftigen und für die wir Lösungen finden werden", erklärt Bistums-Pressesprecherin Judith Rupp am Montag auf TV-Nachfrage. Bis Ende des Jahres laufe die so genannte Resonanzphase. Alle Fragen, Bedenken und auch Alternativvorschläge können binnen dieser Frist beim Bistum eingereicht werden. "Daran schließt sich eine zweijährige Erkundungsphase an. Erst danach wird feststehen, wie die künftige Pfarreienstruktur im Detail funktionieren wird", sagt Rupp.

Die Trierer Pfarrei Liebfrauen hat im Kleinen schon durchgemacht, was dem Bistum im Großen bevorsteht: Im Jahr 2000 wurden die bis dato eigenständigen Kleinpfarreien St. Agritius, St. Gangolf, St. Paulus, St. Antonius und Liebfrauen zur Großpfarrei Liebfrauen fusioniert. "Das hat ganz gut funktioniert", sagt Elisabeth Lamberti. "Wir haben damals beispielsweise die Messdienerarbeit der Pfarreien zusammengefasst, was eine gute Sache war."

Bereits vor einigen Jahren ist Elisabeth Lamberti nach Heiligkreuz gezogen. Zum Gottesdienst kommt sie aber - so wie am vergangenen Sonntag - immer noch gerne nach St. Agritius in Trier-Ost, ihrem früheren Wohnort. "Und auch die bevorstehende Strukturreform wird mich nicht daran hindern, in den Gottesdienst zu gehen - wo auch immer - und meinen Glauben im Alltag zu leben", sagt die Katholikin. Info

Priestermangel und weniger Gläubige sind der Grund für den Vorschlag des Bistums, die 887 bislang eigenständigen Pfarreien im Bistum Trier zu 35 Großpfarreien zu fusionieren. Zur Pfarrei Trier würden insgesamt 26 Pfarreien verschmelzen, neben den Pfarreien im Stadtgebiet auch die Pfarreien Mertesdorf, Kasel, Waldrach, Gutweiler, Morscheid, Pluwig und Schöndorf. In den 26 Pfarreien leben nach Auskunft des Bistums zurzeit 73.649 Katholiken. Längst hat nicht jede Pfarrei mehr einen eigenen Pfarrer, mehrere Pfarrerstellen können wegen Priestermangel nicht besetzt werden.
Wie viele Pfarrer im besagten Bereich derzeit im Einsatz und wie viele davon so genannte Ruhestandspfarrer im Rentenalter sind, konnte die Pressestelle des Bistums auf TV-Anfrage nicht kurzfristig beantworten. Auch die Zahlen, wie viele Katholiken 2016 ausgetreten sind und wie viele Taufen es gab, liegen laut Bistum-Pressestelle noch nicht vor. 2015 gab's im Dekanat Trier 403 Austritte und 561 Taufen. Welches Gotteshaus die zentrale Pfarrkirche der Großpfarrei Trier werden könnte und welcher Heilige ihr Patron wird, steht noch nicht fest.
Weitere Berichte zur Entwicklung in Schweich, Konz, Saarburg und Hochwald in unserem Dossier .Kommentar

Pragmatisch Richtung Untergang

Fahrdienste zum nächsten Gottesdienst, mehr ehrenamtlicher Einsatz, damit das Gemeindeleben auch ohne die Hilfe hauptamtlicher Kirchenleute lebendig bleibt: Hört man sich unter den Trierern um, scheint es, dass die Gläubigen die Pfarreien-Schrumpfkur ganz pragmatisch angehen wollen. Nicht die schlechteste Herangehensweise, hat aber was von vorauseilendem Gehorsam.
Grundsätzliches - etwa die Öffnung des Priesteramts für Frauen oder die Aufgabe des Zölibats - ändert sich durch solche Fügsamkeit nie. Dabei könnten die Katholiken durchaus "von unten" an der Kirche "da oben" rütteln - durch Widerstand, Protest und Weigerung. Zumal die Hoffnung, die Ehrenamtlichen werden das schon wuppen, ohnehin irgendwann sterben dürfte - schließlich beklagen Vereine landauf, landab, dass die Ehrenämtler immer weniger werden. Eine wirklich langfristige, nachhaltige Lösung ist die Pfarreien-Schrumpfkur daher nicht, eher eine Etappe auf dem Weg des weiteren Untergangs der Institution Kirche. c.wolff@volksfreund.de

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