Der kleine Urwald an der Kyll: Ambitionierte Pläne für das Renaturierungsgebiet in Ehrang (Video)

Trier/Schweich · Das Renaturierungsgebiet in Ehrang hat sich in zehn Jahren prächtig entwickelt. Das Biotop dient als Ausgleich für Straßenbauten und Gewerbegebiete. Es gibt weitere ambitionierte Pläne.

 Hier fühlt er sich wohl: Naturschützer Manfred Weishaar im Renaturierungsgebiet Kyllmündung.

Hier fühlt er sich wohl: Naturschützer Manfred Weishaar im Renaturierungsgebiet Kyllmündung.

Foto: Albert Follmann

Manfred Weishaar (75), Fledermaus-Experte und seit vielen Jahrzehnten ambitionierter Naturschützer, hat die Entwicklung der Kyllmündung in Trier-Ehrang verfolgt wie kein Zweiter. Zehn Jahre, nachdem das 35 Hektar große Gebiet renaturiert wurde, hat der Volksfreund es mit dem Vorsitzenden des Naturschutzbundes Region Trier in Augenschein genommen.

Laut Weishaar benötigt ein Auwald etwa 300 Jahre, bis sich die ganze "Pyramide" der dort möglichen Tiere und Pflanzen entwickelt hat, doch können auch schon zehn Jahre, in denen das Gebiet sich selbst und dem Moselhochwasser überlassen war, eine Menge an Biotopvielfalt hervorbringen. Mehr als ein Dutzend Nachtigallen brüten dort, auch Fledermäuse, Amphibien, Schmetterlinge und seltene Pflanzen sind in der "Wildnis par excellence" (Weishaar) heimisch geworden.

Hochwasserschutz Die Umgestaltung dieses Teils der Ehranger Flur ist ein Beitrag zum Hochwasserschutz. 2007 war damit begonnen worden, Flutrinnen und Mulden zu schaffen sowie einen Auwald anzupflanzen. Eine Fläche von 20 Hektar wurde damals komplett neu modelliert; etwa 45.000 Kubikmeter Boden sind abgetragen und per Schiff auf die andere Moselseite bei Kenn transportiert worden. Rund 15 Hektar blieben unangetastet. In diesem Bereich liegen die alten Kyllarme, dort sieht es in der Tat aus wie in einem Urwald. Diese urwüchsige Landschaft mit teilweise über 100 Jahre alten Weiden erwartet man eher nicht in der Nachbarschaft des geräuschvollen Verkehrsdreiecks Ehranger Brücke/B 53.

Die Renaturierung des Kylldeltas wurde vorgenommen, um bauliche Eingriffe in die Natur auszugleichen. Unter anderem wurden die Standspuren an der A.602 und der Bau der Umgehung Ehrang (B.53) kompensiert, aber auch die Anlegung des Güterverteilzentrums im Ehranger Hafen. Neben dem Landesbetrieb Mobilität (LBM) profitierte der Zweckverband Wirtschaftsförderung im Trierer Tal von dem Umweltprojekt.

Erweiterungspläne Aus heutiger Sicht ist es kaum mehr nachvollziehbar, dass die schon mehrfach vom Moselhochwasser überflutete Ehranger Flur früher einmal zu einem Gewerbegebiet werden sollte. Die Stadt Trier ließ diese Pläne jedoch nach dem großen Hochwasser des Jahres 1993 fallen. Mittlerweile hat Trier einen anderen Grund, sich näher mit dem Geländestreifen zwischen der Mosel und der Bundesstraße zu befassen: das Renaturierungsgebiet soll nämlich um 22 Hektar erweitert werden. Dies ist ein Gemeinschaftsprojekt des Zweckverbands Wirtschaftsförderung im Trierer Tal und des LBM als Ausgleich für Straßenprojekte und Gewerbegebiete in der Verbandsgemeinde Konz.

Die Erdmassen, die dafür abgegraben werden sollen - nach Auskunft von Planer Bernhard Gillich vom Trierer Büro BGHplan sind es rund 300.000 Kubikmeter - sollen größtenteils als Untergrund für ein neues Wohn- und Gewerbegebiet in Ehrang genutzt werden. Der dafür vorgesehene Geländestreifen liegt zwischen dem Ort und der B.53. Das Wohngebiet soll acht Hektar groß werden, das Gewerbegebiet 3,9 Hektar.

Laut Gillich können die Bodenmassen verhindern, dass sich (Hoch)Wasser unter dem Straßendamm durchdrückt. Es stehe noch nicht fest, ob die Erde von der Ehranger Flur wenige hundert Meter entfernt im geplanten Baugebiet eingesetzt werde, sagt Triers Pressesprecher Ralf Frühauf. Auch andere Bereiche kämen für eine Deponierung in Frage. Derzeit werde an einem Konzept für die neuen Trierer Baugebiete gearbeitet. Ein überarbeiteter Entwurf des Flächennutzungsplans werde nach einem Beschluss des Stadtrats im Juni voraussichtlich im Sommer erneut öffentlich ausgelegt.

Naherholung Die Stadt möchte die Erweiterung des Renaturierungsgebiets zur Verbesserung der Naherholung nutzen. Es sollen Anschlüsse an bestehende Fuß- und Radwege sowie Aufenthaltsbereiche am Ufer geschaffen werden. Parallel zur Mosel wird ein Nebenarm der Mosel angelegt, der eine Verbindung zum Fluss hat. Zwischen Ein- und Auslauf werden Feuchtzonen geschaffen, die unterschiedlich stark durchströmt werden und dadurch die Entwicklung einer vielfältigen Vegetation ermöglichen. So ist es in dem Erläuterungsbericht des Umweltbüros BHGplan zur "Herstellung einer Retentionsmulde in der Ehranger Flur" nachzulesen. Die landwirtschaftlichen Flächen sollen durch einen Zaun vor Wildschweinen geschützt werden.

Bei den Landwirten, die noch vor einigen Jahren befürchteten, dass ihre fruchtbaren Äcker durch die Ausbeutung von Kies komplett verloren gehen (der TV berichtete), ist mittlerweile der Ärger verflogen.

Die betroffenen Flächen seien durch eine Flurbereinigung eins zu eins ins Hinterland der Ehranger Flur verlegt worden, sagt Bauer Matthias Johaentges. Nachdem einer seiner Kollegen in Rente gegangen ist und ein anderer Ersatzflächen bei Schweich und Föhren erhalten hat, bewirtschaftet Johaentges noch als Einziger dort Felder. Er ist froh, dass sich der Kiesabbau nach Probebohrungen als "Luftnummer" erwiesen hat. "Es gibt dort keinen Kies, nur jede Menge Wildschweine." Mehr als 30 Sauen sollen 2016 geschossen worden sein. Dass der Jagdpächter "aufräumt", davon zeugen mehrere Hochsitze.

Naturschützer Weishaar kann sich vorstellen, dass dort eine kleine Herde "Heckenrinder" zum Einsatz kommt. Problempflanzen wie der Knöterich oder der Riesenbärenklau könnten sich dann nicht so stark ausbreiten.Kommentar

 Das Renaturierungsgebiet Kyllmündung.

Das Renaturierungsgebiet Kyllmündung.

Foto: Albert Follmann
 Das Renaturierungsgebiet Kyllmündung.

Das Renaturierungsgebiet Kyllmündung.

Foto: Albert Follmann
 Die Ehranger Flur im Dreieck Ehranger Brücke/Mosel und B 53: Vorne der bewaldete Renaturierungsbereich, die hellgrüne, umrandete Fläche entlang der Mosel zeigt den Erweiterungsteil. Foto: Portaflug/Bearbeitung TMVG

Die Ehranger Flur im Dreieck Ehranger Brücke/Mosel und B 53: Vorne der bewaldete Renaturierungsbereich, die hellgrüne, umrandete Fläche entlang der Mosel zeigt den Erweiterungsteil. Foto: Portaflug/Bearbeitung TMVG

Risikoreiches Projekt am Fluss

Trier feilt immer noch an seinem Konzept "Stadt am Fluss". Da gibt es noch viel Luft nach oben, aber es gibt auch Erfolge, wie die Neugestaltung des Schleusenbereichs zeigt. Auch die Renaturierung der Ehranger Flur leistet einen Beitrag dazu, dass die Mosel nicht mehr nur als abgeschottete Wasserrinne fungiert, sondern als Naherholungsraum näher an die Menschen heranrückt - so wie es vor der Kanalisierung war.

Man darf gespannt sein, wie sich neben der Kyllmündung, die ja eher ein "Urwald" ist, das neue Wasserband mit Wegen und Liegewiesen am Ufer in einigen Jahren präsentieren wird. Während die Ausbreitung der Mosel hier erwünscht ist, könnte sich ein Hochwasser beim geplanten Wohn- und Gewerbegebiet jenseits der B.3 in Ehrang als Fiasko erweisen. Die letzten Jahre hat man Glück gehabt, aber das nächste Jahrhunderthochwasser kommt bestimmt. Will man etwa eine riesige Spundwand bauen von der Kyll bis nach Quint? Wohnungsnot hin oder her, das Vorhaben in Ehrang erscheint zu risikoreich.

a.follmann@volksfreund.de

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