Stück für Stück mehr Heimat: Fachtagung mit Landrat Streit in Bitburg

Bitburg · Was macht Dörfer liebenswert? Klar, die Menschen, das Miteinander, Landschaft und Natur. Aber auch die Architektur. Baukultur kann einen wichtigen Beitrag zur Zukunftsfähigkeit der Orte leisten. Davon ist Landrat Streit überzeugt.

Stück für Stück mehr Heimat: Fachtagung mit Landrat Streit in Bitburg
Foto: (e_bit )

Ein schönes Haus macht noch keinen lebendigen Ort. "Baukultur ist nur ein, aber ein wichtiges Puzzlestück", sagt Landrat Joachim Streit bei der Fachtagung "Wir sind Heimat" des Zentrums Baukultur Rheinland-Pfalz. Dass die Wahl auf Bitburg als Tagungsort fiel, ist kein Zufall. Seit Jahren gehört der Kreis mit seiner Initiative Baukultur bundesweit zu den Modellprojekten, an denen sich längst andere Kommunen orientieren.

Worum es geht: Mit der Initiative Baukultur will der Eifelkreis Anstoß zu einem Bewusstseinswandel geben. Nicht nur in der Toscana oder in Norddeutschland, auch in der Eifel gibt es eine Architektur, die so typisch für diese Region ist wie Landschaft und Menschen.

Typisch für die Eifel ist das Trierer Einhaus, das Stall, Scheune und Wohnräume unter einem Dach vereint. Mit der Landwirtschaft ist aber auch die typische Bauweise nach und nach verschwunden. In alte Bauernhöfe wurden große Alufenster reingeschlagen und in Neubaugebieten steht die "Villa im Landhaus-Stil" neben einem verspielten Bau mit Erker, Giebeln und Türmchen.
Damit das Typische, das Regionale, nicht verloren geht, hat der Landrat vor sechs Jahren die Initiative Baukultur ins Leben gerufen. Es werden Exkursionen angeboten, Hausherren beraten, zu Vorträgen eingeladen und Schulen besucht. Jede Woche zeigen die Kreisnachrichten vorbildlich sanierte Alt- wie auch Neubauten, die die traditionelle Formensprache aufgreifen.

"Diese Serie ist längst Kult", sagt Gerold Reker, Präsident der Architektenkammer Rheinland-Pfalz. Frei nach dem Motto, steter Tropfen höhlt den Stein, gelinge es, durch solche positiven Beispiele Bauherren wie auch Architekten für regionaltypisches Bauen zu sensibilisieren. Wie das im Ergebnis aussehen kann, beweisen alle zwei Jahre die Preisträger, die die Initiative Baukultur auszeichnet (der TV berichtete mehrfach).

Ein Herz für alte Bausubstanz lässt sich durchaus auch mit dem Anspruch an modernes, offenes Wohnen vermitteln, wie das Beispiel von Heike und Stefan Schiltz zeigt. Das Paar, beide auch Protagonisten im Imagefilm "Wir sind Heimat", den Katja Schupp für die Landesarchitektenkammer gedreht hat, hat in Hofweiler eine alte Scheune, direkt am elterlichen Hof umgebaut. Schiltz führt den landwirtschaftlichen Betrieb seiner Eltern weiter. "Wir sind dadurch ortsgebunden", sagt der Bauherr, den die alte Scheune schon immer gereizt hat: "Dass das aber so schön werden könnte, hätte ich mir nicht erträumt."

Aus dem Rübenkeller wurde die Küche - mit großen Fenstern, die den Blick freigeben auf eine Wiese mit alten Obstbäumen. Stünde die Scheune in einer Großstadt, würde das Ganze wohl Loft heißen. Die umgenutzte Scheune ist hell, modern, ungewöhnlich. "Die größte Herausforderung war, Licht reinzubringen", sagt Architekt Rainer Roth. Die Lösung: eine Art Schornstein aus Glas, der durch das offene Treppenhaus alle Räume mit Licht durchflutet. Trotz moderner Elemente wollte Roth aber auch die Erinnerung an die alte Scheune bewahren. Wo einst ein großes Holztor war, gibt es nun einen mit Holz verkleideten Giebel, wo möglich, wurde das alte Bruchstein-Mauerwerk freigelegt. Ein Beispiel dafür, wie sich alte Bausubstanz im Ortskern nicht nur zu einem regionaltypischen, sondern auch zu einem sehr persönlichen und individuellen Heim umbauen lässt.

Ein wichtiger Punkt. Denn dass die Ortskerne drohen auszusterben, während an den Ortsrändern ein Neubaugebiet nach dem nächsten ausgewiesen wird, kann zum Ausbluten eines Dorfes führen, wie Anne Schmedding von der Bundesstiftung Baukultur sagt. Sie bringt es auf die Formel: "Wir müssen vom Donut, dem Gebäck mit dem Loch in der Mitte, zum Berliner, dem Gebäck mit der Füllung in der Mitte, zurückkehren." Ortskerne sollten gestärkt und wiederbelebt werden. Dazu gehört auch die Umnutzung alter Bausubstanz. Das braucht Phantasie und Vorstellungskraft. Und genau dabei hilft Baukultur Eifel. So entsteht Stück für Stück mehr Heimat für alle.KommentarEine Initiative, die bewegt
Die Initiative Baukultur hat viel bewegt - und wird es weiter tun. Bauherren und Architekten finden zunehmend Gefallen daran, Häuser zu planen, die in die Landschaft passen, in der sie stehen. Das ist nicht selbstverständlich, wie das wilde Durcheinander in einigen Neubaugebieten zeigt. Wichtig war, dass die Initiative Baukultur von Beginn an nicht als Diktat, sondern als Chance begriffen wurde. Wer sieht, wie individuell und modern sich alte Bausubstanz umnutzen lässt, versteht schnell, dass das auch eine Perspektive ist, Ortskerne neu zu beleben. Haus für Haus bekommt die Eifel so ein unverwechselbares Gesicht. Das ist am Ende auch ein Standortvorteil, wenn es darum geht, neue Arbeitskräfte für diese Region zu gewinnen, die viel mehr zu bieten hat, als die wunderschöne Landschaft. d.schommer@volksfreund.deExtra: VON WEGEN LANDFLUCHT...

 Die Bauherren Heike und Stefan Schiltz (oben links) fühlen sich wohl in ihrer umgebauten Scheune (oben rechts). Regionaltypisches Bauen kann bedeuten, alte Bausubstanz zu sanieren (links und rechts) oder aber bei Neubauten auf regionaltypische Formen zu achten (unten Mitte). Fotos (5): TV-Archiv (3); Christine Schwickerath (2)

Die Bauherren Heike und Stefan Schiltz (oben links) fühlen sich wohl in ihrer umgebauten Scheune (oben rechts). Regionaltypisches Bauen kann bedeuten, alte Bausubstanz zu sanieren (links und rechts) oder aber bei Neubauten auf regionaltypische Formen zu achten (unten Mitte). Fotos (5): TV-Archiv (3); Christine Schwickerath (2)

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Stück für Stück mehr Heimat: Fachtagung mit Landrat Streit in Bitburg
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Stück für Stück mehr Heimat: Fachtagung mit Landrat Streit in Bitburg
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Im Auftrag der Bundesstiftung Baukultur hat das Meinungsforschungsinstitut Ipsos 1200 Bürger befragt, wo sie am liebsten wohnen würden:

Wo würden Sie am liebsten leben, wenn Sie es sich unabhängig von Arbeit, Beruf und Familie frei aussuchen könnten? Großstadt: 21% Mittel- oder Kleinstadt: 33% Ländliche Gemeinde: 45%

Von den Befragten, die gerne auf dem Land leben möchten, sind… …18- 29-jährig: 25% … 30- bis 44-jährig: 55% … 45- 59-Jährige: 52% … älter als 60 Jahre: 43%

Von den Befragten, die in einer Großstadt leben möchten, sind… …. 18- 29-jährig: 40% … 30- bis 44-jährig: 18% … 45- 59-jährig: 12% … älter als 60 Jahre: 21%

Von den Befragten, die gerne in einer Mittel- oder Kleinstadt leben möchten, sind… …. 18- 29-jährig: 40% … 30- bis 44-jährig: 18% … 45- 59-jährig: 12% … älter als 60 Jahre: 21%

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