Nicht jede Stimme zählt: Bundestag debattiert über Online-Petitionen

Trier · Unterschriften sammeln im Internet wird immer beliebter. Der Bundestag debattiert nun, ob Online-Petitionen auf privaten Plattformen offiziell anerkannt werden.

473 Menschen wollten die Eifelvulkane retten. So viele haben sich vor drei Jahren an einer von dem Gerolsteiner Grünen-Politiker Tim Steen initiierten Unterschriftensammlung im Internet beteiligt. Mit der Initiative auf der Online-Plattform openpetition.de wollte der Eifeler gegen die Erweiterung des Lava- und Basalt-Abbaus protestieren. Große Wellen geschlagen hat die Online-Petition nicht.

Anders als die von Oliver Thömmes. Der Familienvater aus Menningen im Eifelkreis Bitburg-Prüm hat mit seiner im vergangenen Jahr gestarteten Petition "Klage der Landesregierung Rheinland-Pfalz gegen Cattenom und Tihange" 22.781 Unterstützer für seinen Kampf gegen die störanfälligen Kernkraftwerke in Frankreich und Belgien gefunden. Selbst im Landtag wurde über seine Initiative diskutiert. Und obwohl Petitionen auf solchen privaten Plattformen nicht bindend sind für die Politik, durfte Thömmes seine per Internet gesammelten Unterschriften Ministerpräsidentin Malu Dreyer (SPD) und Umweltminiserin Ulrike Höfken (Grüne) übergeben.

Trotz dieses Beispiels für einen Erfolg einer Online-Petition sieht der Trierer Politikwissenschaftler Markus Linden private Plattformen wie openpetion.de oder change.org kritisch. Viele von ihnen seien nicht unabhängig, sagt Linden. Hinter openpetition.de steht die gemeinnützige Nichtregierungsorganisation Campact. Bei change.org geht es laut dem Trierer Politikwissenschaftler auch ums Geldverdienen. Wer es sich leisten kann, kann sich bei den Betreibern erkaufen, dass seine Unterschriftensammlung auch im Internet beworben wird und damit womöglich mehr Unterstützer findet. Zudem, so Linden, gehe es den Plattformen auch darum, Daten von Nutzern zu sammeln.

Seine Kritik an den Plattformen wird der Trierer Wissenschaftler heute im Bundestag vortragen. Er ist als Experte zu einer Anhörung geladen. Seit Monaten diskutieren die Parlamentarier darüber, ob Online-Petitionen von privaten Anbietern an den Petitionsausschuss des Bundestags gekoppelt werden. Das würde bedeuten, dass Online-Petitionen, die eine bestimmte Anzahl von Unterschriften gesammelt haben, im Petitionsausschuss des Bundestags behandelt werden müssen. Alle Bürger haben die Möglichkeit, sich mit ihren Anliegen oder Beschwerden direkt an den Ausschuss zu wenden. Wer innerhalb von drei Wochen 50.000 Unterschriften sammelt, dessen Eingabe wird im Petitionsausschuss besprochen. Auch der Bürgerbeauftragte des Landes, Dieter Burgard, ist skeptisch. "Private Petitionsplattformen können meist nur Öffentlichkeit schaffen und mediale Aufmerksamkeit." Immer mehr Verbände, Vereine und Unternehmen wetteiferten auf den Plattformen um Unterstützer für ihre Anliegen, sagt Burgard. Daher hält er die Kopplung der privaten Petitionsplattformen mit denen des Bundestags und der Länderparlamente für ungeeignet. "Das ist eine Public-Private-Partnership. Damit kann man Autobahnen bauen, aber keine Demokratie."

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