Ein Verdacht, aber keine Beweise - Morbacher Todesfahrerin muss ins Gefängnis (Update)

Trier · Wegen eines Unfalls mit zwei Toten hat das Trierer Landgericht am Montagmorgen eine 36-jährige Frau aus Morbach wegen fahrlässiger Tötung zu einer zweieinhalbjährigen Gefängnisstrafe verurteilt.

Ein Verdacht, aber keine Beweise - Morbacher Todesfahrerin muss ins Gefängnis (Update)
Foto: Rolf Seydewitz

Nahezu regungslos und mit gesenktem Blick verfolgt Sarah D. den Worten der Vorsitzenden Richterin Petra Schmitz. Nur zwei Mal schaut die 36-jährige Angeklagte während der knapp halbstündigen Urteilsbegründung kurz nach links zu ihrem Verteidiger Pierre Wolff - wohl um einen kurzen Kommentar abzugeben. Vieles von dem, was Sarah D. an diesem späten Montagvormittag im großen Saal des Trierer Landgerichts zu hören bekommt, kann der Morbacherin nicht gefallen, auch wenn der ursprünglich von Staatsanwalt Volker Blindert erhobene Mordvorwurf seit dem vorausgegangenen sechsten Verhandlungstag vom Tisch ist. Seitdem ist "nur" noch von fahrlässiger Tötung die Rede.

Sarah D. hat im April vergangenen Jahres auf der Bundesstraße 53 zwischen Erden und Ürzig (Kreis Bernkastel-Wittlich) einen Unfall verursacht, bei dem zwei Menschen ums Leben kamen und zwei weitere Menschen schwer verletzt wurden. Was zunächst nach einem zwar besonders schrecklichen, aber keinesfalls völlig außergewöhnlichen Verkehrsunfall aussah, entwickelte sich im Laufe der Ermittlungen - aus Sicht der Staatsanwaltschaft - zu einem vermeintlichen Gewaltverbrechen. Denn Sarah D. sollte den Opel Corsa nach einem Streit mit ihrem auf dem Beifahrerplatz sitzenden Freund absichtlich in den Gegenverkehr gelenkt und dabei den Tod mehrerer Menschen in Kauf genommen haben.

So steht es jedenfalls in der Anklageschrift. Wegen der massiven Vorwürfe sitzt Sarah D. seit Anfang November in Untersuchungshaft. Am Montag stellt das Gericht am Ende der Urteilsbegründung einen neuen Haftbefehl aus - auch wenn dieses Mal der Vorwurf nicht mehr auf zweifachen Mord, sondern auf fahrlässige Tötung lautet.

Sarah D. wird wegen des Unfalls mit zwei Toten zu einer zweieinhalbjährigen Gefängnisstrafe verurteilt. Das Urteil entspricht genau dem Strafmaß, das Staatsanwalt Volker Blindert gefordert hat. "Die Beweislage war ungewöhnlich, aber auch nicht so dünn", sagt Blindert später auf die Frage, ob er mit der spektakulären Mordanklage nicht übers Ziel hinausgeschossen habe.

Auch die Vorsitzende Richterin macht in ihrer Urteilsbegründung deutlich, dass Zweifel bleiben. Der Verdacht, dass Sarah D. den Wagen absichtlich in den Gegenverkehr gelenkt habe, stehe immer noch im Raum, sagt Petra Schmitz. "Aber es gibt dafür keine Beweise." Nach Meinung der fünfköpfigen Kammer resultierte der tödliche Crash aus einem "Zusammenspiel von Übermüdung, Amphetaminen und dem heftigen Streit mit ihrem Freund".

Eine Argumentation, die beim Verteidiger der Angeklagten nur Kopfschütteln hervorruft. Außer dem Streit gebe es keinen konkreten Vorwurf, sagt Rechtsanwalt Pierre Wolff, dieser Punkt in der Urteilsbegründung sei "fast so konstruiert wie die Anklage", kritisiert der Jurist. Ob er Revision gegen das Urteil einlegen wird, ließ der Anwalt zunächst noch offen. Eine Woche hat er dafür Zeit.

Die Vorsitzende Richterin Petra Schmitz lässt in ihrer Urteilsbegründung kaum ein gutes Haar an der Angeklagten. Sarah D. habe planlos in den Tag und in desolaten Verhältnissen gelebt: "kein Geld, schwierige Beziehung zu ihrem Freund, 25 Mal umgezogen, zeitweise obdachlos, Strom abgestellt, angespannte Beziehung zu den Eltern", zählt Schmitz auf. Das Jugendamt entzog der Angeklagten Anfang vergangenen Jahres das Sorgerecht für den inzwischen achtjährigen Sohn. Ihre Eltern passen nun auf den Enkel auf.

Weil im Blut der seit ihrem 13. Lebensjahr regelmäßig Drogen konsumierenden Sarah D. nach dem Unfall kleinste Amphetaminrückstände festgestellt wurden, geht das Gericht von einer leicht verminderten Schuldfähigkeit aus. Eine Therapie hinter Gittern hat sie nach Angaben der Vorsitzenden Richterin bislang abgelehnt.

Enttäuscht darüber, dass wegen der schweigsamen Angeklagten im Prozess längst nicht alle offenen Fragen geklärt wurden, äußert sich am Ende Rechtsanwalt Martin Säzler, der den Vater der bei dem Unfall ums Leben gekommenen 32-jährigen Mutter einer Elfjährigen vertritt: "Ein fader Beigeschmack und die Unzufriedenheit bleiben."

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