Prozess um den Tod eines Kindes: "Viele unglückliche Umstände"

Wittlich · Das Amtsgericht Wittlich hat das Verfahren um den Unfalltod eines Vierjährigen eingestellt. Die Todesursache steht auch nach sechs Jahren nicht fest.

Vor Gericht ist es wie im wahren Leben: Kein Fall ist nur schwarz-weiß, nicht immer gibt es den Einen, der die volle Schuld trägt. So auch im Prozess um den Tod eines kleinen Jungen, der 2011 von einem Auto erfasst wurde und kurze Zeit darauf starb (der TV berichtete). Das Amtsgericht Wittlich hat den Prozess wegen fahrlässiger Tötung gegen den Fahrer des Unfallwagens jetzt eingestellt.

Der Tod des Jungen sei am Ende "eine Verkettung unglücklicher Umstände gewesen", sagte Richterin Silke Köhler. Der Vierjährige war im Juli 2011 von einem Spielplatz in einem Ort nahe Wittlich auf die angrenzende Straße gelaufen. Der heute 53-jährige Fahrer konnte nicht mehr ausweichen, das Kind prallte gegen den rechten Kotflügel. Es erlitt schwere Kopfverletzungen, drei Tage später starb es in einem Trierer Krankenhaus.

Der Fahrer war Zeugenaussagen und den Berechnungen eines Sachverständigen zufolge nur wenig zu schnell unterwegs, sein Fahrverhalten sei angepasst und "gemütlich" gewesen. Der Ausgang des Spielplatzes war schwer einsehbar. Lediglich das Schild "Achtung Kinder" hätte ihn warnen müssen. Es verlangt von Autofahrern, jederzeit mit dem Auftauchen von Kindern zu rechnen. Dennoch - das Gericht bescheinigte ihm am Ende eine geringe Schuld an dem Unglück. Auch, weil das Kind an diesem Nachmittag offenbar ohne Aufsicht auf dem Spielplatz war.

Und es gab weitere unglückliche Umstände. Denn offenbar ist nicht klar, ob die beim Unfall erlittenen Verletzungen tatsächlich auch die Todesursache waren. "Für mich ist der Tod des Kindes rätselhaft und verdächtig", sagte am zweiten Prozesstag der Gutachter und Kinderintensivmediziner Dr. Christoph Neuhäuser. Das durch den Unfall verursachte schwere Schädelhirntrauma alleine hat seiner Meinung nach nicht zum Tod geführt. Eindeutige Belege für seine These habe er in der Krankenakte nicht finden können.

Es könnte aber das sogenannte "Propofol-Infusions-Syndrom", kurz Pris, gewesen sein, das den Jungen am Ende das Leben gekostet hat. Propofol wird in der Intensivmedizin zur Sedierung eingesetzt, das heißt die Funktionen des zentralen Nervensystems werden gedämpft. Das verletzte Gehirn hat so bessere Chancen, sich zu erholen. Für Kinder ist das Mittel in Deutschland eigentlich nicht zugelassen. Dennoch, so Neuhäuser, wird es auch bei der Behandlung von kleinen Patienten häufig verwendet. Auch der Vierjährige wurde mit Propofol in ein künstliches Koma versetzt. So gelang es den Ärzten, den Hirndruck trotz der Verletzungen konstant zu halten.

Doch dann zeigte das Kind Symptome, die für Neuhäuser nicht ins Bild eines Schädelhirntraumas passen: Herzrythmusstörungen und ein instabiler Kreislauf. Beides könnte eine Folge des Pris gewesen sein. Für den Nachweis fehlen allerdings bestimmte Blutwerte, die während der Behandlung des Jungen nicht erhoben worden waren.

Mit der Einstellung des Verfahrens gegen den Fahrer des Unfallwagens ist eine Auflage zur Zahlung von 3000 Euro verbunden. Auf Wunsch der Eltern kommt das Geld einem Kindergarten zugute.

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