Endlich wieder schaffen: Ein Trierer Langzeitarbeitsloser und sein Weg zurück in den Job

Trier · 180 Bewerbungen, Nudeln mit Maggi: Ein Trierer suchte jahrelang einen Job – dann half ihm ein Projekt der Arbeitsagentur.

Es ist 10.38 Uhr, der Tag ist noch lang. Nach dem Gespräch mit dem TV lächelt Helmut Pauls zufrieden. "Dann kann ich gleich noch was schaffen. Schwätzen ist nicht so mein Ding", sagt der Trierer, der seinen echten Namen nicht in der Zeitung lesen will. Pauls arbeitet als Reinigungskraft im Trierer Exzellenzhaus. Er wischt Böden, Toiletten, besorgt den Eimer Farbe, wenn eine Wand zu streichen ist. Schließt er morgens um sechs Uhr die Türen auf, ist er ein zufriedener Mann. "Mir macht meine Arbeit Spaß. Und wer behauptet das heute schon von sich?", fragt er.

Wenn Pauls es sagt, liegt Gewissheit in seiner Stimme. Zwei Jahre lang wollte der 57-Jährige schaffen, fand aber nichts. Mit 55 Jahren verlor er die Arbeit in einem Fastfood-Restaurant. Er suchte was Neues. Schon früher arbeitete er in verschiedenen Jobs. Er habe Maler gelernt, eher aus Not, weil Ausbildungsplätze in der Region damals noch knapp gewesen seien. Spaß habe ihm der Beruf nicht gemacht. Pauls schaffte später auf dem Bau, staubsaugte Autos, immer fand er irgendwann was Neues. Doch nach dem Aus im Burger-Laden zog sich die Wartezeit plötzlich wie Kaugummi. "Mit Mitte 50 wollte mich keiner mehr", sagt er.

180 Bewerbungen schrieb er, sein Schwager half ihm dabei. Von Firmen habe es in den Antworten oft geheißen: So eine wunderbare Bewerbung hat uns noch niemand geschickt. Nie stand dort: Sie haben die Stelle. Pauls kämpfte weiter: "Ich bin mit Kurzbewerbungen durch Trier gelaufen, habe in Restaurants gefragt, ob sie eine Küchenhilfe brauchen, in Hotels, ob sie einen Tellerwäscher suchen. An jeder Frittenbude habe ich Bewerbungen verteilt." Das Ergebnis? Wieder nix. Die Kosten für die Bewerbungen, die er über die Arbeitsagentur hätte abrechnen können, zahlte er aus eigener Tasche. Aus Stolz, wie er sagt.

Doch der Hundertprozentige, wie sich der Trierer bei allem, was er anpackt selber nennt, resignierte langsam. "Ich habe kaum mehr die Wohnung verlassen." Und das Geld? "Das reichte für die Miete, Strom, ein bisschen Brot auf dem Tisch und vielleicht mal Nudeln mit Maggi." Das war vor Monaten. Jetzt komme immer mal wieder eine Pizza auf den Tisch, sagt er.

Das Blatt wendete sich, als er Jürgen Hopf von der Arbeitsagentur Trier kennenlernte. Der Mann, der Langzeitarbeitslose coacht, war zuvor Betriebsakquisiteur: eine Art Scharnier zwischen Arbeitsagentur, dem zu betreuenden Arbeitslosen und Betrieben, mit denen er in Kontakt steht. Hopf sagt, er suche nach offenen Türen. Er erstelle mit Betroffenen Profile, analysiere, wo deren Stärken liegen, er spreche Unternehmen gezielt an, vermittele Langzeitarbeitslose, bleibe für alle Seiten Ansprechpartner in den ersten Monaten, coache und ziehe sich stufenweise zurück, wenn alles auf einem guten Weg ist.

Es ist ein Modell des Bundes, das mit Mitteln aus dem Europäischen Sozialfonds gefördert wird, zehn Millionen Euro fließen in die Region Trier. Die Arbeitgeber erhalten in der Einstiegsphase der ersten sechs Monate einen Zuschuss auf den Brutto-Lohn und die Anteile zur Sozialversicherung. Am Anfang 75 Prozent, dann wird es immer weniger, doch innerhalb von zwei Jahren liegt der durchschnittliche Zuschuss bei etwas mehr als 40 Prozent. Firmen gehen so ein geringeres Risiko ein, sagt er. Helmut Pauls dachte, Hopf nehme ihn auf den Arm, als der von dem Konzept erzählte. "Jemand, der mich ans Händchen nimmt? Das wollte ich gar nicht glauben."

Seit mehr als einem halben Jahr hat er nun seinen neuen Job. Und er ist nicht der Einzige. Mit 100 bis 150 Firmen arbeite das Amt zusammen, bis zu 200 Menschen hätten in Trier alleine dadurch in zwei Jahren Arbeit gefunden, sagt Hopf. Er habe Fälle erlebt von Menschen, die selbst nicht mehr an sich geglaubt hatten. In Erinnerung geblieben ist ihm ein Mann. Mitte 50, genesen von einer Krebserkrankung, der eine Stelle als Buchhalter fand. "Ich habe nicht gedacht, dass ich noch einmal so im Leben stehe", habe der später gesagt. Hopf gibt zu: "Das sind die Momente, die mir unter die Haut gehen."

Wie auch bei Helmut Pauls. Der habe ihm erst neulich wieder gesagt, wie viel Freude er bei der Arbeit habe. Momentan arbeitet Pauls Teilzeit und will sich für eine volle Stelle anbieten. Wie es aussieht, ist er auf einem guten Weg. Nach dem Gespräch verlässt der 57-Jährige flugs das Arbeitsamt, mit einem Grinsen im Gesicht. Nur raus hier. Und schaffen.

Wie es mit dem Programm weitergeht
Das Bundesarbeitsministerium teilt auf TV-Anfrage mit: Eintritte in das Programm zum Abbau von Langzeitarbeitslosigkeit sind nur noch bis Ende 2017 möglich. Durch die langen Förderlaufzeiten ende das Programm aber erst Ende 2020. "Wir warten auf eine Botschaft aus Berlin, ob ein ähnliches Programm folgt", sagt unterdessen Marita Wallrich, .Geschäftsführerin .des Trierer Arbeitsamtes. Man habe gute Kontakte zu Unternehmen aufgebaut, heißt es. Die sogenannte Westpfalz-Initiative aus Kaiserslautern und Pirmasens, die das Land flächendeckend einsetzen möchte und die gezielt Familien in den Blick nimmt, sei in der Region Trier dagegen derzeit nicht geplant und nicht notwendig, teilt die Arbeitsagentur mit. Die Erfahrungen und Erkenntnisse aus dieser Initiative fänden jedoch Beachtung, heißt es weiter.

Landesprojekt Schüler finden Ausbildung
Ein Landesprojekt hat viele Schüler zu Abschlüssen und Ausbildungen gebracht - auch in der Region Trier. Seit August 2009 gibt es das Projekt "Keine(r) ohne Abschluss", das sich an Jugendliche richtet, die nach neun Schuljahren die Berufsreife noch nicht erreicht haben, ebenso an Förderschüler, die auch die Berufsreife erreichen wollen. Es läuft an zehn Schulen, darunter in Trier-Ehrang. Die Teilnehmer sind je zur Hälfte in Betrieben und in der Schule, die Klassengröße liegt bei maximal 20 Schülern. Bildungsministerin Stefanie Hubig teilt nun auf TV-Anfrage mit, dass die Ziele des Projektes weit übertroffen wurden. Im Schuljahr 2016/17 haben über 115 von 141 Schüler (81 Prozent) ihren Abschluss geschafft, 103 Jugendliche davon (rund 90 Prozent) haben einen direkten Anschluss, gehen in eine Ausbildung als Maurer, Schreiner, Hotelfachkraft oder weiter zur Schule. Hubig sagt dem TV, man überlege, das Modell auf weitere Standorte auszuweiten.

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