Betreuung von minderjährigen Flüchtlingen: Land schuldet der Region Millionen

Trier/Mainz · Die Kommunen kümmern sich um unbegleitete Jugendliche, Rheinland-Pfalz zahlt. So soll’s sein. Doch viel Geld steht noch aus. Nicht nur das bereitet Sorgen.

Sie sind ohne Bezugspersonen nach Deutschland geflohen, manche haben ihre Eltern verloren, sind traumatisiert: Die örtlichen Jugendämter in Rheinland-Pfalz kümmern sich um 2900 unbegleitete, minderjährige Flüchtlinge, bieten Unterkunft, Betreuung und psychische Stütze.

Die anfallenden Kosten dafür trägt das Land. Doch nun gibt es Ärger. Der Grund: In Mainz stapeln sich unbezahlte Rechnungen der Kommunen, die über Monate in Vorleistung getreten sind. Allein in der Region warten die Stadt Trier und die Kreise auf gut 12,8 Millionen Euro, wie eine TV-Umfrage in den Behörden gezeigt hat.

Integrationsministerin Anne Spiegel (Grüne) hat zwar angekündigt, dass im August eine Abschlagszahlung an die Kommunen für landesweit offene Rechnungen von 53 Millionen Euro fließen soll - doch die soll erst mal nur bei 50 Prozent liegen. Kreise und Städte sind empört. "Das ist unerfreulich, wir warten ohnehin schon lange genug auf das Geld", sagt Günther Schartz, Landrat von Trier-Saarburg. Er erwartet mindestens eine erste Zahlung von 85 Prozent und spricht von einer hohen Belastung für verschuldete Kommunen, wenn diese Millionenvorschüssen für das Land hinterher rennen.

Er fordert, dass sich Kommunen bei den Kosten für unbegleitete, minderjährige Flüchtlinge künftig direkt in den Landeshaushalt einbuchen können, um das Geld so schnell wie möglich zu bekommen. Ernst Beucher, Hauptgeschäftsführer des Landkreistags, spricht von einem im Herbst anberaumten Gespräch mit der Landesregierung, sagt aber auch: "Wir reden von keinen Peanuts mehr." So manche Kommune müsse angesichts hoher Vorschüsse auf Investitionen verzichten. CDU und AfD kritisieren, dass das Land die Kommunen im Stich lasse.

Das Integrationsministerium sieht die versprochene Zahlung dagegen als ein "deutliches Signal" an die Kommunen. Ministerin Spiegel glaubt an ein schnelles Aufholen der Rückstände: Frühere Abrechnungen im Zuge der Neuverteilung von minderjährigen Flüchtlingen auf die Bundesländer seien abgeschlossen, Personal könne nun umgeschichtet werden. Bis Ende Oktober arbeiten nach Angaben des Ministeriums 25 Vollzeitkräfte in der Kostenerstattung an den Fällen im Land.

Gleichzeitig dürften bis dahin wieder neue Rechnungen auflaufen. Die Stadt Trier teilt mit, dass sie monatlich etwa 450 000 Euro für die Betreuung unbegleiteter, minderjähriger Flüchtlinge auszahle. Roland Graßhoff vom rheinland-pfälzischen Initiativausschuss für Migrationspolitik hält davon jeden Euro für klug angelegt. Es zeige sich, dass die jungen Menschen durch die Betreuung schneller Arbeit finden. Er fordert vom Land, in berufsbildenden Schulen auf noch mehr Klassen für nicht mehr schulpflichtige Flüchtlinge ab 18 Jahren zu setzen, die in Trier und Saarburg nun ins zweite Jahr gehen sollen. Auch der Städte- und Gemeindebund fordert von der Politik, mehr in die Integration von Flüchtlingen in den Arbeitsmarkt zu investieren. Hauptgeschäftsführer Gerd Landsberg beklagt, dass noch in den Sternen stehe, wie es mit Bundeshilfen nach 2018 weitergeht, wenn eine Integrationspauschale von insgesamt sechs Milliarden Euro an die Länder und Kommunen geflossen ist. Er rechnet in diesem Jahr mit 200 000 neuen Flüchtlingen in Deutschland und erwartet zusätzlicheMittel. "Ob die Integration gelingt oder nicht, entscheidet sich in den Kommunen. Dort braucht es Wohnraum, Schulen, Kita-Plätze und Arbeit."Extra: WELCHE FORDERUNGEN DIE REGION AN DAS LAND HAT

Die rheinland-pfälzischen Jugendämter betreuen etwa 2900 unbegleitete, minderjährige Flüchtlinge, davon etwa 380 in der Region Trier. Unbezahlte Rechnungen beim Land liegen vor von der Stadt Trier (4,9 Millionen Euro), Trier-Saarburg (gut drei Millionen Euro), Bernkastel-Wittlich (2,45 Millionen Euro), Bitburg-Prüm (1,23 Millionen Euro) und dem Vulkaneifelkreis (1,2 Millionen).Mehr zum Thema

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