Eifeler Alltagsleben aus dem Blickwinkel eines Bauern

Meckel · Am 25. September 1967 starb Albert Theisen aus Meckel. Viele kennen ihn als "Dorffotografen".

Wer kennt sie nicht, die alten Schwarz-Weiß-Fotos der Urgroßeltern. Das Familienoberhaupt saß in der Mitte, neben ihm seine Frau und dann sitzend, stehend oder kniend drum herum die Kinder oder weiteren Verwandten. Alle blickten ernst und konzentriert in die Kamera. Nur selten findet man aus der Zeit um 1900 herum Schnappschüsse aus dem Privat- oder Arbeitsleben. Meist waren es Familienfeiern, wie Hochzeit oder Kommunion, oder Auszeichnungen und Feste, wie Weihnachten oder runde Geburtstage, bei denen der Fotograf zum Einsatz kam.
Umso überraschender sind die Fotografien, die der Meckeler Hobbyfotograf und Landwirt Albert Theisen (1886-1967) gemacht hat. Als er zu fotografieren begann, war das auf dem Land ein eher kostspieliges und seltenes Hobby. Fotografiert hat er mit einer Plattenkamera, bei der Fotoplatten aus Glas verwendet wurden. Das Glasplatten-Negativ war dabei stets so groß wie der spätere Papierabzug, zehn mal 15 Zentimeter.

Theisen hat nicht nur selbst fotografiert - sondern auch zu Hause entwickelt. Dazu hat er sich eine eigene Dunkelkammer geschreinert und diese in der Scheune aufgestellt - sozusagen als Haus im Haus. Ein bisschen sieht sie aus wie ein zu groß geratener Schrank: Während nebenan noch das Pferdegeschirr aufgehängt und auf den Wänden mit Bleistift Gewichtsangaben vom Getreide gekritzelt wurden, herrschte in der kleinen Kammer totale Dunkelheit. Damit nicht durch Ritzen in den Wänden ein Lichtstrahl fallen und damit die Aufnahmen zunichtemachen konnte, hatte Theisen überall sorgfältig schwarze Klebestreifen und kleine Stoffvorhänge angebracht.

Die Kammer, etwa 1,60 Meter lang und 1,20 Meter breit, kann heute im Kreismuseum Bitburg-Prüm bewundert werden. Fast sechzig Jahre hatte sie unberührt in der Scheune gestanden, zusammen mit rund 1000 Glasplatten und Fotografien. Ebenfalls gezeigt wird die Plattenkamera, mit der Theisen seine Bilder schoss. Gefüllt ist der kleine Raum mit alten Schachteln, Geräten und Papier. Fast könnte man meinen, Theisen hätte noch gestern dort seine Abzüge entwickelt.

"Die Entdeckung der Dunkelkammer war wie die Ausgrabung einer alten Zeitkapsel", sagt Kaufmann. Auf Theisen aufmerksam wurde der Leiter des Kreismuseums Bitburg-Prüm durch Mario Simmer, einen jungen Mann aus Meckel, der sich sehr für Geschichte interessiert und im Museum ein Praktikum gemacht hat. "Über ihn entstand der Kontakt zur Familie Theisen."

Amateurfotografie existierte damals auf dem Land so gut wie nicht. Den ersten Berufsfotografen gab es in Bitburg 1911. "Die Bitburger waren ein bisschen hinten dran", sagt Kaufmann. Fotografieren als Hobby war auf dem Land und im bäuerlichen Milieu kein Thema. Am ehesten war es noch im bürgerlichen Milieu zu finden, wie bei der Heisdorferin Nora Pfefferkorn. Theisen war also auch in dieser Hinsicht ungewöhnlich und interessant. Als erstgeborener Sohn hätte er Anspruch auf den Bauernhof seiner Eltern gehabt. Doch bei seinem Einsatz während des Ersten Weltkriegs wurde er verschüttet und war dadurch gesundheitlich angeschlagen, sodass sein jüngerer Bruder den Hof übernahm.
Meckel war damals sehr großbäuerlich. "Da konnte sich schon eher jemand so ein Hobby wie die Fotografie leisten", sagt Kaufmann. In Bitburg konnte man1915 schon Zubehör zum Fotografieren kaufen.

Albert Theisen war belesen und ist viel gereist. Auch bedingt durch seine Kriegsverletzung hat er viele Kuren gemacht. Und pflegte einen großen Freundeskreis. "Er war ein früher Alternativer", sagt Kaufmann. Gesundheit und Bewegung waren ihm wichtig. "So hat er jeden Tag Knoblauch gegessen, ist gejoggt und hat Sonnenbäder genommen."

Die 1920er Jahre stehen im Zeichen der Reformbewegung. Vegetarismus, Bewegungsformen und Naturheilkunde werden modern. Die Frauen befreien sich von ihren Korsetts, eine neue Einfachheit wird gelebt. Und Albert Theisen schienen die neuen Strömungen zu gefallen. "Ein Fotokünstler war er nicht", sagt Kaufmann. "Er hat Dinge, so wie sie waren, dokumentiert." Darunter auch viele Aufnahmen von Menschen bei der Arbeit auf dem Feld.
Auffällig ist ein Fotoalbum, das er den Landstreichern beziehungsweise den Handwerksburschen, wie man sie damals nannte, widmete. Burkhard Kaufmann vermutet, dass er sich für diese Menschen am Rande der Dorfgesellschaft interessierte. Seine Bilder bleiben im Kreismuseum Bitburg-Prüm der Nachwelt erhalten und sind Zeugnis des Lebens in der Eifel.

Anlässlich des 50. Todestages von Albert Theisen wird Burkhard Kaufmann, Leiter des Kreismuseums Bitburg-Prüm, im Kreismuseum am Sonntag, 24. September, 15 Uhr, einen Vortrag halten.

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