Herzlichen Glückwunsch und Tschüss!

Berlin · Frauke Petry verabschiedet sich überraschend aus der neuen AfD-Fraktion. Führungsspitze fordert sie auf, aus der Partei auszutreten. Alexander Gauland und Alice Weidel übernehmen die Macht.

Berlin Artig ließ sich Parteichefin Frauke Petry anfangs zusammen mit den anderen AfD-Wahlsiegern von den Fotografen dirigieren. Riesenandrang in der Bundespressekonferenz. Der Tag der Sieger. "Lächeln, lächeln", raunte der Co-Parteichef Jörg Meuthen ihr zu. Doch dann ließ die 42-Jährige nach kurzem Lob für den "Riesenerfolg" am Sonntag eine "Bombe" platzen, wie Meuthen es später nannte: "Ich will der AfD-Bundestagsfraktion nicht angehören." Stand auf, nahm ihre Tasche und ging.

Zurück blieb eine konsternierte Führung, Meuthen, Alexander Gauland und Alice Weidel. "Das war nicht mit uns abgesprochen", sagte Meuthen entschuldigend. Er wirkte wie auch die anderen beiden AfD-Spitzenpolitiker echt überrascht, jedoch nicht sehr geknickt über den Vorfall. Gauland, der schon am Wahlabend in einer Fernseh-Debatte über die vielen innerparteilichen Auseinandersetzungen gesagt hatte, die AfD sei eben ein "gäriger Haufen", formulierte trocken: "Jetzt ist halt jemand obergärig geworden".

Petry will ihr Bundestagsmandat offenbar behalten; sie hat es in Sachsen direkt gewonnen. Das Motiv, der Fraktion fernzubleiben, entschlüsselte sich aus ihren Äußerungen nicht ganz. Dass sie eine neue Fraktion abtrünniger AfDler gründen will, ist wenig wahrscheinlich; dazu müsste sie fünf Prozent aller Bundestagsabgeordneten um sich scharen, also 35 Leute. So viele Anhänger sind derzeit nicht erkennbar.
Es könnte allenfalls eine fraktionslose "Gruppe" werden, die keine besonderen Rechte hätte. In ihrem kurzen Statement sprach Petry von "abseitigen Positionen", die es in der AfD gegeben habe und erklärte, ihr Ziel sei es nicht, Opposition zu sein, sie wolle, dass die AfD 2021 regiere. "Eine anarchistische Partei kann kein glaubwürdiges Regierungsangebot sein."

Auf wen die Attacken zielten, ließ Petry offen. Es ist jedoch kein Geheimnis, dass sie sich seit dem Kölner Parteitag im April, auf dem sie de facto entmachtet wurde, mit Meuthen, Gauland, und Weidel komplett entzweit hat.
Sie habe schon lange nicht mehr an Vorstandssitzungen oder Telefonkonferenzen teilgenommen, berichtete Meuthen. Für den nationalkonservativen Flügel in der AfD ist Petry mittlerweile regelrecht zum Feindbild geworden, weil sie den Parteiausschluss von Thüringens Landeschef Björn Höcke fordert.
In der neuen, 94-köpfigen Bundestagsfraktion hätte Petry wenige Unterstützer gehabt, geschweige denn, dass sie dort noch Fraktionsvorsitzende hätte werden können, was sie ursprünglich anstrebte. Dafür kandidieren bei der konstituierenden Sitzung am heutigen Dienstag nun Weidel und Gauland, die jetzt die wirklich Mächtigen in der AfD sind.
Denn Meuthen gehört dem Bundestag nicht an, sondern nur dem Landtag in Stuttgart.

Fraglich ist, ob Petry im Dezember beim nächsten Parteitag wieder als Parteichefin antreten wird und dort noch Chancen hat. Der Berliner Landeschef Georg Pazderski sagte, es wäre "nur logisch und konsequent", wenn sie auf eine Wiederwahl verzichte. Weidel und der dem rechten Flügel angehörende Landeschef von Sachsen-Anhalt, André Poggenburg, forderten Petry sogar schon auf, aus der Partei auszutreten. Petrys eigener Kreisverband in der Sächsischen Schweiz verlangte gar nach einem Parteiausschluss.
Extra: KURZPORTRÄT FRAUKE PETRY


(dpa) Frauke Petry holte eines der drei Direktmandate der AfD und führte ihre Partei zur stärksten Kraft bei der Bundestagswahl in Sachsen. Doch der neuen 94-köpfigen Fraktion im Reichstagsgebäude wird die AfD-Vorsitzende nicht angehören. Das kündigte die 42-Jährige am Montag in Berlin an. Am Sonntag hatte Petry noch erklärt, es gehe im Bundestag darum, einen Regierungswechsel für 2021 vorzubereiten. Ihre Funktion in der künftigen Fraktion ließ sie offen. Ihr Schwerpunkt solle ein inhaltlicher sein, nicht die "bloße Präsentation", sagte sie auf die Frage, ob sie sich mit dem Posten einer Bundestagsvizepräsidentin zufrieden geben würde. Mit ihrem Schritt zog Petry die Konsequenz aus einem eskalierenden Führungsstreit mit den Spitzenkandidaten Alice Weidel und Alexander Gauland. Der Zoff wurde auch am Montagmorgen deutlich. Im ZDF-"Morgenmagazin" kritisierte sie die Äußerung Gaulands vom Sonntagabend, man werde Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) "jagen". Die promovierte Chemikerin kam 2013 ohne politische Erfahrungen zur Alternative für Deutschland. Sie wurde neben Bernd Lucke und Konrad Adam eine von drei Sprechern des Bundesvorstandes. Seit Herbst 2014 führt Petry die AfD-Fraktion im sächsischen Landtag. Als Lucke wegen des zunehmend nationalkonservativen Kurses der Partei im Juli nicht wiedergewählt wurde, wählte ein Parteitag Petry und Jörg Meuthen im Juli 2015 zu Parteichefs. In den vergangenen Monaten war Petry jedoch zunehmend isoliert. Auf die Spitzenkandidatur verzichtete sie. Ärger hat Petry auch mit der Justiz. Der sächsische Landtag hob im Sommer ihre Immunität auf. Die Staatsanwaltschaft Dresden ermittelt seit gut einem Jahr gegen Petry. Hintergrund sind widersprüchliche Aussagen von ihr und AfD-Landesschatzmeister Carsten Hütter vor dem Wahlprüfungsausschuss des Landtages im Zusammenhang mit der Aufstellung der Kandidatenliste zur Landtagswahl 2014. Petry hat aus ihrer Ehe mit einem evangelischen Pfarrer vier Kinder, inzwischen ist sie mit dem NRW-Landeschef Marcus Pretzell verheiratet. Im Sommer brachte sie ihr fünftes Kind zur Welt.

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