Ein Wahlkrimi mit Folgen - In Bitburg muss sich was ändern

Bitburg · Als breite Rückendeckung sieht auch der neue alte Bürgermeister Joachim Kandels sein Ergebnis von 51,9 Prozent nicht. Die meisten der sechs Ratsfraktionen fordern, dass sich was ändern müsse. Einfach weiter so geht es mit ihnen nicht.

 Das Bitburger Rathaus: Bürgermeister Joachim Kandels hat hier weitere acht Jahre seinen Arbeitsplatz. TV-Foto: Benedikt Laubert

Das Bitburger Rathaus: Bürgermeister Joachim Kandels hat hier weitere acht Jahre seinen Arbeitsplatz. TV-Foto: Benedikt Laubert

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Bitburg Er ist erleichtert. Erleichtert, dass dieser Wahlkampf vorbei ist, den er als hart empfand. Joachim Kandels ist auch erleichtert, weil er es am Ende dann doch noch - gerade so - gepackt hat. Mit 51,9 Prozent. Ein Ergebnis, das beim neuen und alten Bürgermeister der Stadt Bitburg am Tag nach der Wahl Ernüchterung statt Euphorie hinterlässt.

"Es ist ein eher freudloser Sieg. Auch wenn ich natürlich dankbar dafür bin, dass ich im Amt bestätigt wurde", sagt Kandels. Er hat sein Ziel erreicht, empfinde aber mit Blick auf das knappe Ergebnis "keine Genugtuung". Welche Schlüsse er daraus zieht, werde er prüfen. "Ich werde über vieles nachdenken", sagt er. Persönlich getroffen hätten ihn einzelne Aussagen seines Mitbewerbers, die auch von einzelnen Ratsmitgliedern unterstützt worden. Da sei Porzellan zerschlagen worden: "Das ist nun anders als zuvor."

Was Kandels damit meint, ist jene Kritik seines Mitbewerbers, dass der Amtsinhaber zum Bürgermeister nicht tauge. Solche Bemerkungen haben den Wahlkampf - wohl für viele - ungewöhnlich bissig werden lassen. Bereut Kandels, nicht zurückgeschossen zu haben? "Das ist nicht mein Stil", sagt er, "ich stehe weiterhin dafür, meinen Weg in Fairness und Menschlichkeit zu gehen." Weiterhin geht Kandels davon aus, dass auch sein Mitbewerber von diesen "Angriffen auf persönlicher Ebene" nicht profitiert habe: "Er hat drauf gehauen, aber blieb in seinen Verbesserungsvorschlägen recht unkonkret." Für Kandels ist klar: "Wir hatten einfach sehr unterschiedliche Vorstellungen darüber, was ein fairer Wahlkampf ist."

Das sieht SPD-Fraktionsvorsitzende Irene Weber anders. Ihre Partei hat Olk im Wahlkampf unterstützt: "Die Erwartung an den neuen, alten Bürgermeister ist, dass er durch den knappen Sieg versucht sich zu eigen zu machen, was den Gegenkandidaten ausgezeichnete. Er muss weg von der Tätigkeit der reinen Verwaltung einer Stadt als Sachbearbeiter und hin zur Gestaltung von Leben und Arbeiten für die Menschen in Bitburg mit Kreativität, Innovation und vor allem Mut." Weber sagt, dass sie wie auch ihre Fraktionskollegen die Wiederwahl für Kandels und seiner Familie freut: Menschlich schätze man den Amtsinhaber, aber es fehle an Dynamik: "Ob Dorfgemeinschaftshaus Stahl, die Kita in der Alten Kaserne oder die Eishalle: So was muss man zur Chefsache machen." Führungsqualität, die sie vermisst.

Den Wahlkampf wiederum war weder aus Sicht von SPD noch aus Sicht von Liste Streit, die ebenfalls den Herausforderer unterstützt hat, besonders hart. "Das war kritisch, aber damit muss man in der Politik leben", sagt Weber. Ähnlich sieht es Willi Notte, Liste Streit. Für ihn zeigt das knappe Wahl-Ergebnis, dass der Amtsinhaber zwar sehr beliebt ist, aber eben auch fast die Hälfte der Bürger mit seiner Arbeit unzufrieden sind. Für die kommenden acht Jahre hofft Notte, dass Kandels stärker "ergebnisorientiert arbeitet". Auch sein Vorwurf lautet: "Er verwaltet zu viel, koordiniert Prozesse, dabei sollte er mehr die Ergebnisse im Blick behalten."

Fehlende Dynamik, mangelnde Entschlussfreude und zu wenig Zügigkeit bei großen Projekten: Das vermisst auch Marie-Luise Niewodniczanska (FDP). Sie räumt zwar ein, dass Kandels "keine großen Fehler" gemacht und einen guten Charakter habe. Aber sie sagt mit Blick auf das Wahlergebnis aus: "Er wird sich sehr anstrengen müssen. Da hat er schon eins vor den Bug bekommen." Sie würde sich wünschen, dass der neue alte Bürgermeister mehr riskiert, mutiger wird und "konsequenter seine eigene Linie" verfolgt. Ihrer Ansicht nach hätte etwa in Sachen Housing-Konversion längst schon was passiert sein können: "Das dauert eben alles sehr lange." Dass dennoch dem Herausforderer nicht gelang, den Amtsinhaber abzulösen, macht sie teils daran fest, dass Olk ihrer Ansicht nach mit der persönlichen Kritik an Kandels über das Ziel hinaus geschossen ist: "Das hat ihn Stimmen gekostet. Das war überheblich. So was haben die Leute nicht gerne."

Auch Peter Berger (Grüne) interpretiert das knappe Wahlergebnis so, dass die Bevölkerung "stringentere Entscheidungen" von einem Bürgermeister erwartet: "Es geht eben nicht darum, es immer allen Recht machen zu wollen." Insofern fand Berger es auch gut, dass der Herausforderer viele Themen kritisch angegangen ist und "eine andere Gangart an den Tag gelegt hat". Inhaltlich waren die beiden Kandidaten für Berger gar nicht weit auseinander: "Aber die Bürger erwarten eine andere Dynamik, jemanden, der sich auch mal durchsetzen kann." Was für Berger bei aller Kritikfreudigkeit zu viel war, waren die Angriffe auf persönlicher Ebene: "Ich kann nicht über den Bürgermeister sagen, dass er zum Führen einer Verwaltung nicht befähigt ist. Das ist, wenn man selbst keine Erfahrung auf dem Feld hat, unangemessen. Das wirkt arrogant und hat den Herausforderer am Ende womöglich den Sieg gekostet."

Eine Einschätzung, die Manfred Böttel (FBL) teilt: "Der hat einen engagierten Wahlkampf gemacht, aber das kam bei vielen nicht gut an." Böttel geht davon aus, dass auch wegen solcher Aussagen die Ratsarbeit schwieriger wird, die Fronten verhärtet sind. Angriffe auf persönlicher Ebene, sagt Böttel, habe es in Wahlkämpfen schon immer gegeben: "Aber ich halte das für keinen guten Stil." Von Kandels wünscht er sich, dass er seine Arbeit besser nach außen verkauft. Das sei ihm nicht ausreichend gelungen. Und auch er wünscht sich "mehr Drive". Aber Böttel räumt auch ein: "Manche Sachen sind einfach wegen vieler Vorschriften umständlich, das ist nicht allein Sache des Bürgermeisters."

Für Michael Ludwig (CDU) ist das Wahlergebnis natürlich enttäuschend: "Das spiegelt nicht die in den vergangenen acht Jahren geleistete Arbeit wider und auch nicht die breite Übereinstimmung, mit der wir im Rat die Projekte aufs Gleis gesetzt und begleitet haben." Indiskutabel sind für ihn die Angriffe auf persönlicher Ebene gegen Kandels: "Das ging zu weit. Das ist nicht der Stil, den ich mir im Sinne unserer gemeinsamen Sache wünsche." Für Ludwig ist das auch ein Thema, "über das noch zu sprechen sein wird". Was die Forderung nach mehr Dynamik angeht, sieht Ludwig auch die Ratsmitglieder selbst in der Pflicht: "Hier kann sich jeder mit Vorschlägen, Ideen und Initiativen beteiligen." Was Ludwig angesichts großer Aufgaben wie der Umnutzung der Housing erwarte, sei eine "solide Zusammenarbeit. Und ansonsten: "Wir werden schon im eigenen Interesse zeigen, dass der nötige Druck in der Leitung ist."

Ralf Olk hat zwar nicht den Machtwechsel erreicht - aber er schaffte es, sich in kurzer Zeit auf Augenhöhe des Amtsinhabers zu positionieren: "Uns haben 141 Stimmen zum Wahlsieg gefehlt. Das heißt: Nur ein paar Details hätten im Wahlkampf anders laufen müssen. Mein Team und ich haben alles gegeben, und darauf bin ich stolz. Ich hoffe, der Bürgermeister erkennt, dass viele Bitburger eine proaktive, kreative Politik erwarten - und wünsche ihm ehrlich viel Erfolg dabei."KommentarMeinung

Wie viel Dynamik kann Kandels?
Bitburg hat keinen Wahlkampf erwartet - und bekam einen heißen geliefert. War es unangemessen, dass der Herausforderer dem Amtsinhaber die Befähigung für den Job abgesprochen hat? Hat ihn das den Sieg gekostet? Oder waren es genau solche Ansagen, die ihn in der Wählergunst so hoch haben steigen lassen? Braucht Bitburg mehr klare Kante oder liegt am Ende doch in der Ruhe die Kraft? Darüber lässt sich streiten und diskutieren, ob es ausschlaggebend für die Wahl war, bleibt offen. Sicher hingegen ist: Vom Bürgermeister wünscht man sich etwas weniger Ruhe, dafür mehr Dynamik. Ob Kandels das kann, wird sich zeigen. Die Herausforderungen haben sich nicht geändert. Ob Umnutzung des riesigen Housinggeländes oder die Finanzierung des Cascade-Bads: Mit einem einfachen "Weiter so" ist es bei dem Ergebnis nicht getan. d.schommer@volksfreund.de

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