Bitburg bekommt's nicht mehr gebacken

Bitburg · Das Café Elsen schließt im Dezember. Nach mehr als 100 Jahren verschwindet die letzte Backstube aus der Stadt.

 Backe, backe, Brötchen: Albert Kappes legt die Brötchen aufs Fließband. Die Maschine faltet den Teig und Dirk Schulz legt sie aufs Blech. TV-Foto: Christian Altmayer

Backe, backe, Brötchen: Albert Kappes legt die Brötchen aufs Fließband. Die Maschine faltet den Teig und Dirk Schulz legt sie aufs Blech. TV-Foto: Christian Altmayer

Foto: (e_bit )

Bitburg Dirk Schulz schneidet mit schneller Hand die Brötchen ein und benetzt sie mit Wasser. Anschließend schiebt er die Brötchenbleche unter Zugabe von Wasserdampf in den Steinbackofen. Wie lange sie brauchen, kann er nie genau wissen. Manchmal sind sie nach 18 Minuten gut, manchmal nach 20. "Der Backofen ist 45 Jahre alt und heizt sehr ungleichmäßig", sagt Andreas Dockendorf. Einen neuen wird er nicht mehr anschaffen, denn der Bäckermeister wird das Café Elsen im Dezember schließen.

17 Jahre leitete er den Betrieb, der in vierter Generation von der Familie geführt wird. Mehr als ein Jahrhundert lang haben die Bitburger hier ihr Brot gekauft, ihre Torten bestellt, ihren Kaffee getrunken. Doch jetzt ist Schluss! Dockendorfs Kinder wollen den väterlichen Betrieb nicht weiterführen. Für den 53-Jährigen ist es ein emotionaler Abschied von den Mitarbeitern und den Kunden. Die Bäckerei wird 2018 der Bit-Galerie Platz machen. Der Bau des Einkaufszentrums an der Ecke Trierer Straße soll Anfang nächsten Jahres beginnen (der TV berichtete).

In Bitburgs letzter Backstube wird viel in Handarbeit hergestellt. "Jeder Bäckergeselle ist in den gesamten Herstellungsprozess eingebunden, vom Abwiegen der Zutaten bis zum Abbacken der Backwaren", sagt Dockendorf: "Wir backen alles frisch und müssen nichts nachträglich aufbacken." Überall eröffnen Filialen großer Bäckereiketten und verdrängen die traditionellen Backstuben. In den Kettenbetrieben werden morgens fertige Rohlinge in die Ladenbacköfen geschoben. Das geht schnell.Wer frisch backen will, braucht mehr Zeit und muss früher aufstehen.
Draußen ist es dunkel. Im Café Elsen brennt Licht. Süß und malzig liegt der Duft des Gebackenen in der Luft über der Trierer Straße. Während die Stadt schläft, sind die Gesellen wach. Dann mal rein in die gute Stube: Dort kann es schon mal brütend heiß werden. Denn der Ofen heizt nicht nur Brot und Brötchen ein, sondern auch den Mitarbeitern.

Ibrahim Muazu schiebt eine Platte mit Teig in die Brötchenpresse. Das Gerät ruckelt und zuckelt und stanzt 30 gleich große Teigbällchen aus. Diese legt Muazu einzeln auf das Band der Ausrollmaschine, welche sie in die typisch längliche Brötchenform rollt. Sogleich werden sie auf die Backbleche aufgesetzt und in den Gärraum gestellt. 2000 Brötchen machen die Gesellen am Tag - oder eher in der Nacht. Ihre Arbeitszeit beginnt um 0 Uhr. Jeder Handgriff muss sitzen. Tut er auch. Immerhin arbeitet ein großer Teil der Belegschaft hier seit Jahrzehnten."Wir sind fast wie eine Familie", sagt Andreas Dockendorf.

Die 17 Mitarbeiter haben inzwischen fast alle eine neue Arbeitstelle gefunden. Kein Wunder: Bäcker und Fachverkäuferinnen werden gesucht. Auch hier herrscht Fachkräftemangel. Kaum jemand will heute seine Brötchen mit Brötchen backen verdienen, mitten in der Nacht aufstehen, auch am Wochenende.

Auch Dockendorf tritt als Jugendlicher nicht sofort in die Fußstapfen seines Vaters. Nach dem Abitur beginnt er erstmal mit einer Ausbildung zum Bankkaufmann. Bäcker will er nicht werden, denn er leidet unter einer extremen Lebensmittelallergie. Wenn er mit Sesam, Mohn oder Nüssen arbeitet, hat er Atemnot. Wegen seiner Verbundenheit entschließt sich Dockendorf dann aber doch, in Trier eine Ausbildung zum Konditor zu beginnen. Die Allergie ist inzwischen auf ein erträgliches Maß zurückgegangen. Also setzt Dockendorf noch eine Bäckerlehre und den Meister drauf. Im Jahr 2000 übernimmt er das Café Elsen.

Seitdem steht er nicht nur jeden Tag in der Stube, sondern auch hinter der Theke.Er und sein Verkaufsteam, zu dem auch seine Mutter gehört, kennen die Stammkunden und ihre Wünsche - wer mag die Kruste dunkel, wer den Laib geschnitten? "Oft wird schon das richtige Brot gegriffen, wenn der Kunde zur Tür reinkommt", sagt Dockendorf.
Eine ältere Dame hängt ihre Jacke an der Gaderobe auf. Zielgerichtet spaziert sie dann auf einen Tisch zu. Sie sitzt immer hier. "Watt darfs denn heut senn?", fragt die Serviererin."Nur en Tass Kaffee", sagt die Frau. Kurze Zeit später hat sie ihren Kaffee mit Zucker und Milch, wie sie ihn mag.

Wo wird die Dame ab Dezember hingehen - wo werden die Bitburger ihre Festtagstorten bestellen und die Brote mit der dunklen Kruste?

"Viele haben mich gefragt, ob ich wieder eröffnen werde", meint Dockendorf. Und, will er? Erstmal steht eine längst überfällige Operation an. Erst danach wird entschieden, wie es weitergeht.Extra: WO GIBT ES NOCH BACKSTUBEN?


Echte Backstuben sind in der Eifel immer seltener geworden. Sie wurden größtenteils von Kettenbetrieben verdrängt. Echte Handarbeit liefern nur noch Bäckermeister Theis in Biersdorf, Billen in Ferschweiler, Schüller in Brecht und Flesch in Dudeldorf.

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