Demokratie und Bürgerbegehren Lasst uns wieder streiten!

Zugegeben, als Außenstehender ist es schwer zu verstehen: Eine der wichtigsten Fragen in Trier ist also, ob eine Tankstelle erhalten wird. Darüber muss unbedingt abgestimmt werden! Und in Mainz entscheiden die Bürger, ob einige wenige Bäume gefällt und ein neues Bauwerk ans Gutenberg-Museum anschließen soll. Gibt es nichts Wichtigeres? Ganz bestimmt, die Liste ist sogar lang: etwa genügend günstige  Mietwohnungen, gute Schulen, sichere Städte und vieles mehr.

 Thomas Roth

Thomas Roth

Foto: TV/Friedemann Vetter

Doch es sind nun einmal die erstgenannten Themen, die zur Premiere für Bürgerentscheide in Trier und Mainz führen. Und das ist – da Bürgerwille – auch gut so. Denn ganz ehrlich: Wer kann schon bestimmen, wann ein Thema wichtig genug für einen Bürgerentscheid ist und wann nicht? Wer sich mit manchem Trierer unterhält, der merkt, dass die Frage Erhalt der Tankstelle oder Neugestaltung des Alleenrings hochemotional besetzt ist. Da kommen bei manchen Erinnerungen an wilde Jugendzeiten hoch, andere träumen von einer komplett umgestalteten Innenstadt. Die Diskussion um Ja oder Nein stellt selbst manche Freundschaft auf eine harte Probe.

Und dennoch bleibt mit Blick auf den Entscheid in Trier, aber auch die Abstimmung in Mainz, ein seltsames Gefühl bestehen. Jenes, dass die Politiker vor Ort solche Themen möglichst offen ausdiskutieren und entscheiden sollten. Es ist ja nicht so, dass Ratsmitglieder vom Himmel fallen. Sie sind unsere gewählten Vertreter – und ganz nebenbei beteiligen sich an Kommunalwahlen fast immer mehr Einwohner als bei Bürger­entscheiden.

Warum kommt es nun überhaupt zu immer mehr solcher Entscheide? Einerseits sind in Rheinland-Pfalz die Hürden gesenkt worden – es ist schlichtweg einfacher, einen Entscheid zu starten und zum Erfolg zu bringen. Andererseits wird aber zudem manche Diskussion vor Ort nicht mehr ganz offensiv, streitlustig und eben auch nicht für alle Bürger offen geführt. Politiker müssen sich für ihre Themen einsetzen, zu Entscheidungen in der Öffentlichkeit stehen. In Mainz ist etwa oft zu hören, dass für den Bibelturm, ein Projekt, das das Gutenberg-Museum attraktiver machen soll, kaum ein Politiker wirklich gekämpft hat. Das ist eine Steilvorlage für Gegner, und manchmal eine Einladung selbst für Minderheiten, solche Vorhaben zu blockieren.

Und in Trier? Da ist es zumindest mittlerweile anders: Befürworter und Gegner streiten offen – emotional, aber doch meistens gesittet. Bestes Beispiel: Unser Forum im Kulturzentrum Tuchfabrik zum Bürgerentscheid am Montagabend. Zwei Stunden lebhafte Diskussion, alle Plätze besetzt. Nun geht es am Sonntag für die Trierer also an die Urne. Und wir wünschen uns vor allem eines: dass sich möglichst viele beteiligen. Nur dann ist der Entscheid bindend. Und nur dann ist für ein vermeintlich kleines Thema der durchaus große Aufwand einer Abstimmung gerechtfertigt.

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