Suppe kochen, Schach spielen: Bald Senioren-WGs in Dockweiler und Bleialf?

Dockweiler/Bleialf/Mainz · Die Eifel-Orte Dockweiler und Bleialf planen Wohngemeinschaften für Senioren. Ältere Menschen sollen so dauerhaft einen Platz im Heimatdorf haben. Ein erster Schritt ist gemacht.

Mit 94 Jahren sei die Frau gestorben, die in den letzten Tagen ihres Lebens oft einsam gewesen sei, erzählt Edith Baur. Die Ortsbürgermeisterin von Bleialf kannte die Rentnerin, weil die ihr Leben lang in dem Dorf gewohnt hatte, bis sie in ein fast 30 Kilometer entferntes Altersheim ziehen musste.
"Ihre Freundinnen konnten sie fast gar nicht mehr besuchen, weil sie kein Auto mehr hatten. Ich bin noch oft zu ihr gefahren, trotzdem fühlte sich die Frau alleine und war traurig", sagt Baur. Es ist eine Geschichte, wie es sie in kleinen Dörfern häufig gibt. Und eine, die für die Ortsbürgermeisterin ein Ansporn ist. Die 56-Jährige wünscht sich, dass Menschen möglichst lange auch in ihrem kleinen Heimatdort leben können - ohne zu vereinsamen.

Daher gehört Bleialf wie auch das Vulkaneifel-Dorf Dockweiler zu den Eifel-Kommunen, die sich von nun an von der Landesinitiative Wohnpunkt RLP unterstützen lassen (siehe Extra). Diese begleitet Dörfer dabei, so genannte Wohn- und Pflegegemeinschaften vor Ort aufzubauen - eine Art Senioren-WG, in der Bewohner eigene Räume zum Wohnen und Schlafen haben, die Küche aber gemeinsam nutzen und häufig einen Pflegedienst im Haus haben.

Als Baur in dieser Woche in Mainz sitzt, wo die Kommunen den Vertrag unterzeichnen, hängen Bilder an der Wand. Sie zeigen, zugegeben in einem recht klassischen Rollenverständnis von Aufgabenteilung, wie eine solche WG aussehen könnte: Omas brutzeln gemeinsam in der Küche, legen das Besteck auf den Tisch. Opas spielen Schach.
Und hinterher gehen alle im Feld spazieren. Bruno von Landenberg, Ortsbürgermeister von Dockweiler, peilt ebenfalls eine solche Senioren-WG an.
"Ich bin froh, dass es die Möglichkeit auch für ländliche Gemeinden gibt - und nicht nur für die mit 5000, 6000 Einwohnern", sagt er.

Nackte Zahlen zeigen, wie Dockweiler mit dem demographischen Wandel zu kämpfen hat. 667 Einwohner hat das Dorf, 144 Menschen davon sind 65 Jahre und älter.
Das Problem: Alters- und Pflegeeinrichtungen liegen mindestens acht Kilometer entfernt. "Für viele Menschen ist das Dorf ihre Heimat - und das wollen sie auch dann nicht verlassen, wenn sie nicht mehr ohne Hilfe leben können", sagt von Landenberg.

Edith Baur sieht in Senioren-WGs einen Ersatz für das alte Modell der Großfamilie. "Ich bin 56 Jahre und kann mir das für die Zukunft vorstellen", sagt sie. Zugleich weiß sie, dass sie bei manchen älteren Semestern noch Überzeugungsarbeit leisten muss. "Nicht jeder schreit gleich Jippie, wenn er mit Frau Müller oder Frau Maier Suppe kochen soll", sagt sie lächelnd. In den Sternen steht auch, wann es in beiden Dörfern wirklich losgeht.

"Wir stehen noch im Startblock und laufen erst los", sagt von Landenberg. Beide Gemeinden haben bereits Plätze für die Wohngemeinschaften gefunden, sie liegen in den Ortskernen. Doch mit der Zusage des Landes haben die Kommunen zunächst nur die Garantie, dass ihnen die Beratung bezahlt wird, wie bei gesetzlichen Vorschriften, Kosten, Organisation, der Einbindung der Bevölkerung und Nachbardörfern. Bruno von Landenberg ist aber froh, dass der erste Schritt gemacht ist. Bereits jetzt höre er von Vorfreude. Eine Frau habe ihrem Arzt neulich schon gesagt: "Ich wohne bald in der neuen WG."KommentarMeinung

Nicht länger vor sich her schieben
Es gibt zwar schon durchaus lobenswerte Initiativen in einigen Orten, aber häufig genug wird das Thema Betreuung für ältere Menschen in gewohnter Umgebung noch abgetan. Dabei ist es nicht fünf vor, sondern mindestens Schlag zwölf Uhr, es muss noch viel mehr passieren und das deutlich schneller als bisher. Einfach weiter vor sich herschieben - das könnte sich schon bald rächen angesichts der großen Zahl von älteren Menschen. Es braucht eine ganze Palette an Wohnformen für ältere und pflegebedürftige Menschen, die den Wunsch haben, möglichst lange in ihrem Ort zu leben und ihren gewohnten Tätigkeiten nachzugehen. Gut, dass nun auch Dockweiler in diese Richtung geht, und gut, dass das Land den Anlauf unterstützt, auch wenn es keine Garantie auf Erfolg gibt. s.sartoris@volksfreund.deExtra: WAS BEWIRKT DIE LANDESINITIATIVE?


(flor) Die rheinland-pfälzische Gesundheitsministerin Sabine Bätzing-Lichtenthäler unterstützt das Konzept. "Auch ältere Menschen mit hohem Unterstützungsbedarf sollen so lange wie möglich in ihrem vertrauten Umfeld leben können", sagte sie in Mainz zu der Landesinitiative Wohnpunkt RLP. Diese unterstützt Gemeinden gezielt dabei, Wohn- und Pflegegemeinschaften aufzubauen. Dabei gehe es beispielsweise um die Bedarfsermittlung, den Standort, barrierefreien Umbau, sozialrechtliche Fragen und darum, wie die Einbindung in das Dorfleben organisiert werden kann. 28 Kommunen wurden bislang landesweit aufgenommen - Dockweiler und Bleialf sind die ersten aus der Region Trier.

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