Altes Eisen, frisch poliert

TRIER. Mit 63 kommt die Rente - und was dann? In Trier gibt es jede Menge Senioren, die noch einmal richtig aktiv werden, wenn die Kinder aus dem Haus sind, der Ehepartner verstorben oder die Karriere zu Ende ist.

Es ist schön, eine Lebensaufgabe zu haben, aber was, wenn sie beendet ist? Vor dieser Frage stand Iris Bachmann (Name geändert) als vor 19 Jahren ihre Söhne aus dem Haus gingen. Rückzug bedeutet Verfall

Die damals 47-Jährige legte ein komplettes Pharmazie-Studium hin und arbeitete nach ihrer Promotion in einer Luxemburger Apotheke bis zu ihrer Pensionierung. Aber auch danach ließ sie sich nicht aufs Abstellgleis schieben: Noch immer hilft sie stundenweise in einer Apotheke aus. Nach dem Tod ihres Mannes begann sie, Spanisch zu lernen. Vergangenen Winter besuchte sie gar einen Salsa-Kurs. Berührungsängste hat sie keine: "Mit den Studenten kam ich prima klar", erzählt die 66-Jährige. So etwas ist nicht selbstverständlich: "Ein Wendepunkt im Leben löst oft Depressionen aus", weiß Birgit Hansen, Pflegedienstleiterin im Mutter-Rosa-Altenzentrum. "Oft ziehen sich dann ältere Menschen, die ohnehin wenig Kontakte haben, noch mehr in sich zurück. Im hohen Alter beschleunigt das den Demenzprozess." Genauso können Senioren über das Ziel hinaus schießen, wenn sie mit Gewalt jung bleiben wollen. Einige zum Beispiel fangen plötzlich an, wie wild Sport zu treiben - und gehen über ihre Grenzen hinaus. Hansen: "Man muss im Alter lernen, mit den Verlusten umzugehen." Das muss auch Iris Bachmann, die wegen einer Arthrose das Salsa-Tanzen aufgegeben hat. Jetzt trainiert sie sanfter: Regelmäßiges Schwimmen hat sie mit dem Arzt vereinbart. Haben Mediziner früher häufig Sport als Allheilmittel empfohlen, so sind sie heute vorsichtiger: "Wer noch nie im Leben Sport getrieben hat, schadet seinem Körper mehr, als er ihm nützt, wenn er in der Rente auf einmal anfängt, Marathon zu laufen", sagt Dr. Stefan Schilling von der Geriatrischen Reha-Klinik St. Irminen. Nur nicht übertreiben

Schon eine halbe Stunde am Tag Spazieren gehen reiche aus, um die Gesundheit zu unterstützen. Denn: "Inaktive stürzen sehr viel häufiger als Aktive und riskieren einen Schenkelhalsbruch." Auch Hans Bisdorf, Übungsleiter der Seniorensport-Gruppe der Turngesellschaft Trier, achtet genau darauf, dass seine Sportler sich nicht überfordern: "Wir können unsere Leute gut einschätzen und trainieren jeden nach seinen Fähigkeiten", erzählt der 72-Jährige. Im vergangenen Jahr habe er sogar einen 80-Jährigen zum ersten Mal zum Sportabzeichen gebracht. Dem sei allerdings ein drei viertel Jahr Training voraus gegangen, in dem die Laufstrecken peu à peu erhöht worden seien. Für den 64-jährigen Günter Bleser ist das Laufen auch gedanklicher Ausgleich: "Da kann ich Probleme viel besser lösen als zu Hause im stillen Kämmerchen." Der pensionierte Lehrer spielte früher regelmäßig Fußball und nimmt heute am Seniorensport des Post-Sport-Vereins teil. Genauso wichtig wie Gymnastik und Basketball-Spielen ist dabei die Gemeinschaft: Nach dem Training sitzt man beisammen und klönt. Richtige Freundschaften haben sich hier entwickelt. Und ein bisschen mehr: Seine zweite Frau Ingrid hat Bleser ebenfalls durch den Sport kennen gelernt.

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