Interview: „Die Zuschauer wollen Gefühle sehen“

Trier · Noch 13 Kandidaten kämpfen bei der ProSieben-Show „Popstars“ um den Einzug in eine zweiköpfige Band. Nicht mehr dabei ist Andreas Woithe, den der TV zu Hause in Trier-Nord besucht hat. Er schildert seine Erfahrungen mit psychischem Druck, körperlichen Eskapaden und begeisterten Fans. Mit Andy Woithe sprach TV-Redakteur Marcus Hormes.

Von Trier zum Popstars-Workshop nach Las Vegas: War das ein Kulturschock für Sie?

Andy Woithe: Ich war vorher noch nie außerhalb von Deutschland oder Luxemburg. Dann direkt Las Vegas – das war schon ein geiles Gefühl. Die Skyline ist der Wahnsinn. Allerdings war ich gar nicht so besonders beeindruckt von Amerika. Mich hat nur überrascht, dass die Leute da supernett sind. Jedes Mal, wenn wir essen gegangen sind, haben sie alle Hilfe angeboten, die sie geben konnten.

Der Workshop bedeutet in erster Linie Arbeit, Training und Auftritte. Gab es auch Gelegenheit, sich die Stadt anzuschauen?

Andy: Ja, aber nie ohne Kameras. (lacht) Nach jeder Entscheidung hatten wir einen Tag frei. Dann sind wir einkaufen gegangen oder an den See gefahren. Und die berühmtesten Hotels der Stadt haben wir besichtigt.

Was macht Trier für Sie aus?

Andy: Ich bin hier geboren, habe immer hier gelebt. Trier ist eine Kulturstadt. Ich bin allerdings nicht so der Kulturmensch. Ich brauche immer etwas Trubel um mich. Eine Medienstadt wie Köln oder München wäre noch besser.

Vor Popstars haben Sie Casting-Erfahrungen bei der RTL-Show „Deutschland sucht den Superstar“ gesammelt, kamen unter die Top 30. Inwiefern hat Ihnen das diesmal geholfen?

Andy: Das Umgehen mit der Kamera war dadurch nicht ganz neu. Aber Popstars hat ein ganz anderes Konzept als DSDS, eine andere Regie.

Wie unterscheiden sich die Shows?

Andy: Popstars ist persönlicher. Man hat viel mehr Kontakt mit der Jury, kann auch mal private Fragen stellen. Man sitzt zum Beispiel mit Jury-Mitglied Detlef Soost am Frühstückstisch. Ich glaube kaum, dass Dieter Bohlen das machen würde.

Beim allerersten Casting in Stuttgart sind Sie gestartet wie eine Rakete, haben als einziger Kandidat das Goldene Mikrofon gewonnen. Kommt man dann raus und denkt: „Ich bin der Größte!“?

Andy: Klar war ich stolz auf mich, aber nicht überheblich. Ich habe deshalb nicht gedacht, dass ich mich nicht mehr beweisen muss.

Bei der Bewährungsshow in Stuttgart haben Sie vor Ort tatkräftige Unterstützung bekommen. Wer hat das organisiert?

Andy: Meine Familie. Ich war zu dem Zeitpunkt auch noch in Trier und habe Freunde gefragt, ob sie dabei sein wollen. Insgesamt sind 25 Leute mitgefahren, das war cool.

Sie mussten ausgerechnet als Erster auf die Bühne.

Andy: Genau. Danach war ich fünf Stunden lang in einem Raum für Wackelkandidaten und habe von der ganzen Sendung nichts mitbekommen. Die von Popstars wollten wohl, dass wir zum Schluss alle Emotionen auf der Bühne raus lassen. In dem Raum bist du bescheuert geworden, du bist durchgedreht.

Dann haben Sie das letzte Ticket nach Las Vegas bekommen und waren jede Woche im Fernsehen. Finden Sie, dass Sie auf dem Bildschirm so wirken wie sonst auch?

Andy: Von sich selber denkt man immer: Wie siehst du denn jetzt da aus? Aber ich war eigentlich ganz zufrieden. Man merkt auch, dass man von Sendung zu Sendung immer sicherer wird im Auftreten.

Sie haben meistens einen coolen Eindruck gemacht, kaum nervös.

Andy: Ich bin die ganze Zeit ruhig. Aber direkt bevor es auf die Bühne geht, habe ich Angst zu versagen. Das hilft mir auch dabei, besser zu werden auf der Bühne. Je mehr Angst ich habe, desto besser bin ich dann.

Wie war das, ständig Kameras um sich herum zu haben?

Andy: Am Anfang ist es ein ziemlich cooles Gefühl, weil man das nicht gewohnt ist. Mit der Zeit nimmt man die Kameras dann gar nicht mehr wahr. Irgendwann achtet man nur noch auf den, der die Fragen stellt.
In fünf Wochen Workshop mussten Sie viel erleiden, und wir beim TV hatten viel zu schreiben. Es fing schon nach einem Tag mit einem Rauswurf an.

Andy: Das hatte eine Vorgeschichte, die man im Fernsehen nicht gesehen hat. Wir sind mit einigen Kandidaten von Frankfurt nach Washington geflogen und haben da unseren Anschlussflug verpasst. Am nächsten Tag ging es weiter nach Las Vegas. Über Nacht sollten wir dann den Song lernen. Wir haben also zwei Tage lang nicht geschlafen. Dann bekam ich gesagt: Es hat nicht gereicht.

Wie gewonnen, so zerronnen

Andy: Meine Welt ist zusammengebrochen. In Gedanken war ich schon im Flugzeug. Alle anderen Kandidaten waren davon überzeugt, dass das nicht sein kann. Danny hat versucht, mich aufzubauen. Dann haben wir alle im Kreis gestanden, und Alex Christensen hat erklärt, dass ich bleiben kann.

Speziell bei Ihnen haben sich die Situationen mehrfach extrem zugespitzt.

Andy: Die haben in mir denjenigen gefunden, den sie immer ein bisschen aufziehen konnten. (lacht)

Ihr Zusammenbruch beim Laufwettbewerb im Hochhaus kam überraschend.

Andy: Nach zwei Mal hoch und runter laufen habe ich einen schwarzen Blitz vor die Augen bekommen. Vielleicht war ich ein bisschen übermotiviert. Es waren schon morgens 44 Grad, und ich hatte zu wenig getrunken.

Bei der Jury kam der Zwischenfall sogar gut an.

Andy: Detlef hat meinen Einsatzwillen gelobt. Aber davon habe ich nicht mehr viel mitbekommen, bin dann im Krankenwagen eingeschlafen. Ich war sechs Stunden im Krankenhaus und habe Infusionen bekommen, um wieder fit zu werden.

Der Auftritt am Ende der Woche zusammen mit Valentina war Gänsehaut pur

Andy: Wir haben uns beide selber übertroffen. Mit dem Song habe ich mir einen Maßstab gesetzt. Zu dem Zeitpunkt dachte ich: Vielleicht passt du wirklich hier rein. Zumal es auch eher in die Richtung Balladen ging statt wie sonst R’n’B.

Dann kam Ihr spektakulärer Schlag in die Wand.

Andy: Die Leute fragen immer: „Das musstest du doch nur spielen, oder?“ Die glauben nicht, dass das echt war. Detlef hatte mitbekommen, dass sich etwas in mir aufgestaut hatte. Die Sache mit meinem leiblichen Vater, der sich nie bei mir meldet. In der vierten Woche kam dann die Explosion.

Warum ausgerechnet unter diesen Umständen?

Andy: Ich hatte mich vorher nicht so intensiv damit befasst. Detlef könnte auch Psychologe sein. Der geht in den Kopf mit irgendwelchen Sachen. Du bist praktisch gezwungen, dich mit dem Thema auseinanderzusetzen. Deshalb ist es dann rausgekommen.

In den Sendungen sieht man einerseits, wie sich die Kandidaten gegenseitig helfen, andererseits aber auch Zickereien und Grüppchen-Bildung.

Andy: Der Konkurrenzkampf ist natürlich da. Jeder will in die Band. Aber: Es haben sich auch Freundschaften entwickelt. Das hätte ich vorher nicht gedacht.

Danny haben Sie schon beim Casting im Stuttgart kennengelernt.

Andy: Wir haben dann übers Internet Kontakt gehalten und uns bei der Bewährungsshow wiedergesehen.

Nach der dritten Workshop-Woche musste Danny gehen. War das ein Rückschlag für Sie?

Andy: Klar. Für mich war Danny einer der besten Sänger. Er hat immer nur typische Songs zum Tanzen bekommen. Da konnte er nie seine Stimme zeigen. Er steckte eben in der Schiene drin als Performer, als Tänzer, der ab und zu ein bisschen singt.

Wie schätzen Sie die Jury-Mitglieder ein?

Andy: Detlef ist der Kopf der Sendung. Er macht einen sehr souveränen Eindruck, wenn du mit ihm redest. Alex Christensen und Michelle Leonard sind total auf dem Boden, ganz normale Menschen.

Die Jury besteht also nicht aus Tyrannen?

Andy: Absolut nicht. Der Detlef kann manchmal ziemlich forsch sein. Aber wenn die Kameras aus sind, kommen die auch mal zu dir und fragen dich: „Hey, wie geht’s dir?“

In der Sendung über die letzte Workshop-Woche waren Sie kaum zu sehen. Nach dem Auftritt am Ende kam dann das Aus ohne nähere Begründung. Lag es an Ihrer Duo-Partnerin Julia, die am Anfang der Woche in die Kritik geraten war?

Andy: Julia war beim Auftritt gut. Ich glaube nicht, dass es an ihr gelegen hat. Wir haben einfach nicht mehr ins Konzept gepasst. Und es gab eine Vorgeschichte, die in der Sendung nicht erklärt wurde.

Und zwar?

Andy: Ich habe in der besagten Woche nie mittrainiert, weil ich mir den Rücken verdreht hatte und Schmerzen hatte. Ich war deshalb zwei Mal im Krankenhaus.

Beim Auftritt fiel es im Fernsehen nicht auf, dass Sie aus der Reihe getanzt wären.

Andy: Nik hat mir auf dem Zimmer die Schritte gezeigt. Ich habe sie mir auch beim Zuschauen im Training eingeprägt. Die Choreographie für den Gesangsauftritt war nicht so schwer. Die Rolle als Background-Tänzer beim Auftritt der Gruppe, die den Titel der Backstreet Boys gesungen hat, war komplizierter, und die Bewegungen waren schmerzhafter. Vor dem Auftritt habe ich drei Schmerztabletten genommen und ein Heizkissen im Rücken gehabt.

Wie waren die Reaktionen nach Ihrem Ausscheiden?

Andy: Von 5200 Kandidaten so kurz vor der Bandphase ausgeschieden – da kann ich mir selber nichts vorwerfen. Die Hürde hätte ich natürlich noch gerne genommen. Das Feedback der anderen war positiv. Auch von Leuten, die ich nicht kenne.

Was haben Sie seit dem Ausscheiden erlebt?

Andy: Ich bin zwischen Köln, Trier und Mannheim gependelt, habe Danny und Mike getroffen. Am Wochenende war ich zum ersten Mal wieder aus, in den Musikpark A1. Das ist schon krass, wenn Jugendliche vor Freude schreien.

Haben Sie Autogrammkarten zum Verteilen?

Andy: Nach der Bewährungsshow hatten wir ein Foto-Shooting für Zeitschriften wie Bravo. Die haben so eine Karte ausgedruckt. Aber extra Autogramm-Karten habe ich nicht.

Wie kommen Sie in Situationen zurecht, wenn Fans Sie belagern?

Andy: Der Erfolg ist ja eigentlich das, was ich mit meiner Musik immer wollte. Das habe ich jetzt ein bisschen geschafft. Jetzt kennen mich die Leute.

Gustav von der Band „Tokio Hotel“ hat mal einen Schlag mit einer Bierflasche über den Kopf bekommen. Sind Sie auch schon mal tätlich angriffen worden?

Andy: Nein. Neider gibt es immer, egal wo. Damit habe ich kein Problem. Das Meiste ist positiv.

Haben Sie einen Vertrag unterschrieben, dass Sie nichts Negatives über Popstars sagen dürfen? Eine Art Maulkorb?

Nein, ich darf nur in den ersten Monaten keinen Plattenvertrag bei einer anderen Firma unterschreiben. Ich bin frei, Songs aufzunehmen oder live aufzutreten. Es muss allerdings alles abgeklärt werden.

Bei Casting-Shows wird großer Druck auf die Kandidaten ausgeübt, es wird Quote mit Tränen gemacht.

Andy: In jeder Casting-Show wirst du psychisch gefordert. Die Zuschauer wollen Emotionen sehen, sonst wäre es langweilig. Eine Casting-Show ist der einzige Weg, bei dem du von null auf hundert „berühmt“ werden kannst. Ich kann jedem nur empfehlen, bei so etwas mitzumachen, der es sich zutraut.

Kritiker verweisen darauf, dass manche Casting-Sieger nach kurzem Hype schnell wieder in der Versenkung verschwinden.

Andy: Man weiß nie, woran es gelegen hat. Es gibt Bands wie Monrose oder Queensberry, bei denen es funktioniert. Selbst wenn man einen Nummer-eins-Hit hat und danach nichts mehr kommt, kennen die Leute einen noch. Dann kann man immer noch sein eigenes Ding machen.

Haben sich für Sie schon konkrete Möglichkeiten ergeben, wie es weitergehen könnte?

Andy: Zum Team von Popstars gehören auch Musikredakteure, mit denen ich mich übers Internet unterhalte und denen ich Songs schicke.

Es bleibt also bei der Musik?

Andy: Jetzt aufzuhören, wäre der größte Fehler. Der Boden ist gelegt. Darauf muss ich aufbauen. Was mich stört, ist die Ungewissheit.

Sie sind derzeit Single. Würde eine Beziehung derzeit überhaupt passen?

Andy: Eine Freundin müsste akzeptieren, dass ich auch mal unterwegs bin.

Am 22. Dezember treten Sie im Trierer Exhaus auf. Was erwartet die Besucher?

Andy: Das wird ein Dankeschön-Konzert für alle, die mich unterstützt haben und mit mir gefiebert haben. Dann werde ich wahrscheinlich die Songs spielen und singen, die ich auch während der Show gesungen habe. Dazu noch meine Lieblingssongs. Danny wird auch dabei sein. Das wird so eine Art Unplugged-Konzert mit Gitarre und Keyboard, ganz nah an den Zuhörern.

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