Alles bleibt in Bewegung

Kleinkunst, Musicals, Konzerte, Ausstellungen und Kindertheater - die Trierer Tuchfabrik (Tufa) bietet ein vielfältiges Kulturprogramm, gibt lokalen Künstlern eine Bühne, ist Begegnungsstätte, fördert kulturelle Bildung und lockt große Namen in die Region. In diesem Jahr feiert sie ihren 30. Geburtstag.

Alles bleibt in Bewegung
Foto: (g_pol3 )

Nach turbulenten Anfängen hat sich das Zentrum im Trierer Kulturleben etabliert - mit neuen und alten Herausforderungen.
Rappelvoll war der große Saal, als Schriftsteller Harry Rowohlt auf der Bühne las, trank und rauchte - bis weit nach Mitternacht. "Die Luft war schlecht, aber es war fantastisch", erinnert sich Tufa-Chefin Teneka Beckers an ihren ersten Kontakt vor zwölf Jahren mit dem Trierer Kultur- und Kommunikationszentrum, das sie seit 2007 leitet.

Auf dem Gelände der früheren Tuchfabrik Weber in der Weberbach ging die Tufa am 7. November 1985 an den Start. Eine zunächst umstrittene Idee des damaligen SPD-Kulturdezernenten Walter Blankenburg, in einer Zeit, als Kultur für alle in soziokulturellen Zentren in Mode kam. Befürworter erhofften sich Freiraum für alle Kunstschaffenden, Kritiker fürchteten die totale Anarchie. "Das war eine spannende Zeit", resümiert Klaus Reeh, Vorsitzender des Tufa-Dachverbands. "Alles war Experiment und Provisorium." Und deutschlandweit einmalig. Denn die Stadt finanziert Gebäude und Personal. Das Programm gestaltet der Tufa-Dachverband eigenverantwortlich, in Absprache mit den 24 Mitgliedsvereinen. 2014 lag das Budget bei rund 480.000 Euro, 2015 liegt es wegen größerer Jubiläumsprojekte bei knapp 700.000 Euro.

Für die Vereine ist die Tufa Probenraum, Begegnungsort und Bühne zugleich. Viele genreübergreifende Projekte sind dort entstanden, Events für neue Strömungen wie etwa das Opening-Klangkunst-Festival wurden etabliert. Auch Künstler von außerhalb schätzen die besondere Atmosphäre abseits großer Hallen: Hannes Wader, Rainald Grebe und Katja Ebstein standen alle schon auf der Tufa-Bühne.

"Es ist ein Ort, wo jeder Kultur konsumieren, aber auch selbst tätig werden kann", beschreibt Teneka Beckers, was die Tufa ausmacht. "Sie ist ein Auffangbecken für alles, was an freier Szene und Laienkultur da ist." Theater, Musical, Tanz, Kleinkunst, Ausstellungen, Artothek, Kulturkneipe und ein umfangreiches Kursangebot versammelt das Zentrum unter einem Dach. "Und es kostet vergleichsweise wenig, auch, weil viel ehrenamtlich geleistet wird." Dem stimmen auch die Besucher zu. Petra Kewes, Trierer Stadträtin (Grüne), besucht häufig Lesungen, Konzerte und Theateraufführungen: "Ich schätze das Ambiente. Die Tufa ist eine Begegnungsstätte für Menschen, die sich gleichgesinnt fühlen."

Eva Pätz (8) aus Trier nimmt bereits an ihrem dritten Malkurs teil: "Hier darf ich machen, was ich möchte. In der Schule gibt es Vorgaben und Noten." Die zwölfjährige Maria Golovanova ist seit zwei Jahren in der Theaterwerkstatt aktiv. Ihr gefalle, dass "hier alle zusammen, Jungen und Mädchen, an einem Stück arbeiten".

Kinder sind eine wichtige Zielgruppe der Tufa. "Sie kommen gern in unser Atelier, um ganz frei mit Kunst zu arbeiten", sagt Künstlerin Lilo Schaab, die Workshops in freier Malerei leitet. Alles sei "offen und unkompliziert".
Gefördert wird auch die Vernetzung von Kunstszene und Schulen in der Region. Seit 2008 vermittelt die "Kunstfähre" Künstler für den Unterricht. "Die Tufa bietet dafür die Infrastruktur", sagt Agenturleiterin Christina Biundo. Die Tänzerin und Choreographin Hannah Ma fand nach dem Ende ihres Theater-Engagements in der Tufa ihre neue künstlerische Heimat: "Die Tufa ist ein ,Melting Pot' für Menschen mit verschiedenen Interessen und Herkunftsorten. Eine wunderbare Institution, um verschiedene Dinge auszuprobieren." "Das Modell hat sich bewährt", bestätigt Tufa-Chefin Beckers. Dafür sprechen die rund 70.000 Besucher im Jahr.

Man trete nun allerdings in eine "interessante Phase" ein, erklärt der Tufa-Vorsitzende Reeh. Das Zentrum sei zur "Institution im kulturellen Leben der Stadt" geworden. Das bedeute neue Herausforderungen, etwa steigende Ansprüche, bei Publikum wie Akteuren: "Die Professionalisierung der Laien ist enorm." Die im Haus produzierten Musicals hätten sich "zur Marke entwickelt", seien nicht selten Sprungbrett zur Profikarriere. Dennoch: Die Tufa müsse sich um "jüngere Protagonisten" bemühen und "wieder mehr aktuelle, gesellschaftlich relevante Themen diskutieren", fordert Reeh.

Das größte Problem seien die Raumnot und der umfassende Sanierungs- und Modernisierungsbedarf. "1985 war das hier eine Baustelle, heute sieht es manchmal aus, als würde es wieder eine", beschreibt Heinz Kreil vom Tufa-Mitgliedsverein Kulturwerkstatt die Lage.

Neue Fragen im Hinblick auf eine mögliche Erweiterung am Standort Weberbach wirft die Idee auf, das frühere Walzwerk in Kürenz zum Theater-Zweitstandort auszubauen: "Damit schwinden für die Stadt die Möglichkeiten, ins Tufa-Gebäude zu investieren", sagt Teneka Beckers. "Unser Traum bleibt aber die Erweiterung." In Kürenz wird allerdings am 7. November das Großprojekt "Blue Sheets" aufgeführt, eine fürs Jubiläum produzierte Jazzoper mit 160 Beteiligten - und ein Beweis dafür, dass in der Tufa weiterhin Neues gewagt wird. "Die Beschreibung Experiment passt eben immer noch", findet Christina Biundo. "Alles bleibt in Bewegung."

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