"Am Anfang des Krieges ging es ihnen besser"

Die Familie Kolf selbst hatte keine Zwangsarbeiter zu Hause, doch in Pronsfeld selbst gab es viele Arbeiter. Die Kriegsgefangenen kamen zuerst aus Polen, dann aus Frankreich und schließlich auch aus Russland.

In Pronsfeld arbeiteten vor allem Russen. Die ersten Zwangsarbeiter kamen bereits 1939 und blieben bis zum Winter 1944/1945, also bis zur so genannten Rundstedt-Offensive, "wenn sie bis dahin überlebten" (Zitat von Nikolaus Kolf). Danach wurden sie abtransportiert und es ist ihm kein späterer Kontakt zu einem der Arbeiter bekannt. Die meisten Zwangsarbeiter wurden am Anfang noch von den meisten Menschen im Dorf nach dem Namen gefragt, doch später fragten nur noch die Arbeitgeber, denen sie zugeteilt waren, nach ihren Namen. Es war schließlich strengstens von der SS untersagt, näheren Kontakt zu den Arbeitern zu haben. Viele Arbeiter wurden in der Rüstungsindustrie eingesetzt, doch die meisten von ihnen kamen in der Eifel in der Landwirtschaft zum Einsatz. Die Arbeiter wurden sowohl in kleinen Bauernbetrieben als auch in großen Betrieben eingesetzt. "Sie hatten die schmutzigsten, schwersten und vor allem gefährlichsten Arbeiten zu machen, denn es wurde in Kauf genommen, dass es Opfer gab", sagt Nikolaus Kolf. Die Arbeitsbereiche waren sehr verschieden. Die Zwangsarbeiter mussten Panzergräben ausheben und mithelfen den Westwall zu bauen. In der Landwirtschaft war es den Arbeitgebern selbst überlassen die Arbeitsgebiete auszuwählen. Während der Arbeit wurden die Arbeiter streng von der SS bewacht. Wenn jemand bei einem Fluchtversuch erwischt wurde, wurde er entweder sofort erschossen oder ins KZ gebracht, sagt Nikolaus Kolf. Diejenigen, die in ihren Arbeitsbetrieben keinen Platz zum Schlafen fanden, mussten in einem Lager, einer alten Holzhütte, schlafen, die ständig von SS-Leuten bewacht wurde. Dort gab es keine Betten, sondern im günstigen Falle Stroh. Sonst übernachteten sie auf dem kahlen Boden. Dieses Lager war auch im Winter nicht beheizt, so dass in dieser Zeit viele von ihnen an Unterkühlung starben. Zu Essen gab es recht wenig für diejenigen, die in dem Lager untergebracht waren. Sie hatten Glück, wenn einer der Wachen Mitleid mit ihnen hatte und für sie Essen sammelte, doch dies kam recht selten vor. Denjenigen, die in einem landwirtschaftlichen Betrieb untergebracht waren, ging es im Allgemeinen besser. "Dort bekamen sie mehr zu essen und durften im Heu schlafen." Doch auch in den Familien war näherer Kontakt zu den Arbeitern strengstens durch die SS untersagt. Darum aßen die Arbeiter dann oft in der Futterküche und nur selten am Tisch. Erfuhr die SS dennoch von "Bevorzugungen", wurden die Arbeiter hart bestraft. Auch die Arbeitgeber wurden bestraft, indem man ihnen die Arbeiter "wegnahm". Im Wesentlichen wurden die Franzosen besser behandelt als die Polen und Russen, doch Nikolaus Kolf betont, dass im Allgemeinen die Zwangsarbeiter am Anfang des Krieges besser behandelt wurden als am Ende des Krieges. "Am Anfang sah man die Zwangsarbeiter als noch fast gleichrangige Menschen an, doch je länger der Krieg dauerte, desto eher wurden sie wie Tiere behandelt", sagt Kolf heute. Diese Tatsachen empfindet er als besonders schlimm. Nikolaus Kolf ist heute 82 Jahre alt. Er lebte in Pronsfeld und war früher Landwirt. Das Interview führte Martin Ballmann aus der Klasse 10a des Regino-Gymnasiums

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