Der erste Schritt zur Magersucht

TRIER. Ana Carolina Reston aus Brasilien hatte mit ihren 21 Jahren noch ein langes Leben vor sich. Sie war hübsch, groß und dünn, zu dünn. Das Model ist an Magersucht, auch unter Anorexia nervosa bekannt, gestorben.

Anorexia nervosa ist eine nervlich oder seelisch bedingte Appetitlosigkeit beziehungsweise Essstörung. Die Erkrankten empfinden anfangs genauso Hunger wie andere auch, doch durch den Glauben, das Hungergefühl mental unter Kontrolle zu bekommen, essen sie so wenig wie möglich. Sie verlieren das Hungergefühl oder lassen es nicht mehr zu. Über die genauen Gründe sind sich die Forscher noch nicht hundertprozentig im Klaren. Dr. Maria Etzkorn, Psychologin der "Villa Kunterbunt" in Trier, sieht zwei Faktoren als häufigsten Grund der Magersucht: Zum einen der Schlankheitswahn, den wir im Fernsehen und in Zeitschriften erfahren, zum anderen sind Magersüchtige oft sehr ehrgeizig und werden von dem Elternhaus kontrolliert, sie fangen an, sich durch das Gewicht zu definieren. Einer der häufigsten Gründe, vor allem bei Mädchen im Alter zwischen 12 und 16 Jahren, ist auch, dass sie in die Pubertät kommen und erst ihr Selbstwertgefühl finden müssen. Dies geschieht nicht selten durch den Vergleich mit anderen und dem Wunsch, schlanker zu sein als die anderen. Bei Jungen passiert dies eher seltener, da sie sich an der Muskelmasse vergleichen. Nur fünf Prozent der Pubertäts-Magersüchtigen sind Jungen. Insgesamt sind in Deutschland rund 700 000 Menschen an Magersucht erkrankt. Davon sterben 15 Prozent und nur rund 30 Prozent werden wieder völlig gesund. Ob diese Werte in den vergangenen Jahren gefallen oder gestiegen sind, ist nicht zufrieden stellend beantwortet. Die Patienten tragen bleibende Schäden, wie Stoffwechsel-Störungen oder Unfruchtbarkeit, davon. Da sie jedoch in ihrer Wahrnehmung nicht krank sind, besuchen sie auch nicht freiwillig eine Therapie. In vielen Fällen gehen sie erst nach dringendem Anraten eines Arztes in stationäre Behandlung. Im Krankenhaus wehren sie sich anfangs gegen die Einnahmen von Kalorien. Fürs erste dürfen sie das Krankenhaus nicht verlassen. Doch durch einen vereinbarten Vertrag mit dem Arzt, der besagt, dass sie eine bestimmte Menge an Kalorien am Tag essen müssen, können die Patienten später Vergünstigungen erhalten. Die Therapeuten müssen die Patienten unterschiedlich behandeln. Zum einen müssen sie die Patienten aufklären und begründen, warum der Körper auf gewisse Dinge anders reagiert, zum anderen müssen sie Vertrauen zum Patienten aufbauen, wobei dies, laut Dr. Etzkorn, "der weitaus schwerere Weg ist, da man am richtigen Punkt ansetzen muss um voran zu kommen". Wenn die Patienten den Wunsch haben, den Kontakt zur Familie und zu Freunden wieder aufzubauen, sind die Therapeuten schon einen großen Schritt weiter. Danach müssen sie versuchen, das vollkommen verzerrte Spiegelbild der Patienten wieder richtig zu stellen. Eine Therapie dauert mindestens ein halbes Jahr, doch meist werden ein bis zwei Jahre benötigt, dabei kommt es auf das Anfangsgewicht des Patienten an. Doch bis dahin ist es ein sehr langer Weg für die Patienten und die Therapeuten, denn letzten Endes ist es eine Sucht wie jede andere auch. Erster Baustein den Schlankheitswahn in der Modebranche einzudämmen, ist der Ethik- Code aus Italien, der einen Body-Mass-Index (siehe Hintergrundinformation) von mindestens 18 verlangt. Wenn dieser Code schon vor dem 14. November 2006 bestanden hätte, wäre Ana Carolina Reston, die den Weg vom beschaulichen Ort Jundia in Brasilien zu den Modemetropolen Paris und Mailand fast geschafft hätte, jetzt nicht tot. Anna Madert, Klasse 9b, Auguste-Viktoria-Gymnasium Trier

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