Haschisch, Haft und wenig Hemmungen

BITBURG. Seit Jahren hat Richter tagtäglich mit Drogenkriminalität auch von Jugendlichen zu tun. Im KLASSE!-Interview analysiert er das Problem "Drogenland Eifel" und gibt auch Tipps für Jugendliche und Eltern.

Wie lange sind Sie schon als Richter tätig?von Schichau: Ich bin seit 1971 Richter. In Bitburg seit 1985 und ich verhandle Strafverfahren, also auch Drogenverfahren seit 1991. Wie viele Verhandlungen, die sich um Drogendelikte drehen, führen Sie pro Jahr? von Schichau: Von den rund 300 normalen Strafverfahren, die ich im Jahr verhandle, sind zwei Drittel Drogenverfahren - entweder geht es um Verstöße gegen das Betäubungsmittelgesetz oder um Diebstähle, um sich Drogen zu kaufen. Hat die Zahl der Jugendlichen, die wegen Drogen vor Gericht standen, in den letzen Jahren zugenommen?von Schichau: Ja, um rund zehn bis zwölf Prozent. Woran könnte das liegen?von Schichau: Das liegt daran, dass sich das allgemeine Suchtverhalten verändert hat. Die Jugendlichen werden immer jünger, wenn sie mit Zigaretten oder Alkohol einsteigen. Und die Nähe zu diesen legalen Drogen fördert natürlich auch den Einstieg zum Konsum von illegalen Drogen. Stehen die Angeklagten mehrmals wegen gleicher Dinge vor Gericht?von Schichau: Ich würde mal ganz vorsichtig sagen, dass die Hälfte der Angeklagten mehrfach vor Gericht steht, meistens wegen der gleichen Sache. Wegen welcher Drogen stehen die meisten Angeklagten vor Gericht?von Schichau: Wegen Haschisch! Haschisch und Marihuana gibt es hier in der Eifel sehr oft. Außerdem gibt es einen besonders starken Heroinanteil durch den Zuzug aus Osteuropa. Der Konsum von Ecstasy geht etwas zurück. Wenn einer Haschisch raucht, nimmt er gewöhnlicher Weise auch noch andere Drogen. Hatten Sie einen sehr spektakulären Drogen-Fall, an den Sie sich immer wieder erinnern?von Schichau: Da hatte einer so eine Art Buchhaltung über seine Kunden und dann hat er diesen Zettel bei der Festnahme verschluckt. Welche Sanktionen stehen den Angeklagten bevor?von Schichau: Also für die dicken Fälle gibt es grundsätzlich nur Haftstrafen, bei Erwachsenen sowieso. Wenn einer eine so genannte nicht geringe Menge Haschisch aus Holland - über 100 Gramm - einführt, was ja ein schweres Delikt ist, kann man damit rechnen, dass er mindestens zwei Jahre bekommt. Und für jedes Gramm, das ein Erwachsener an einen unter 18-Jährigen abgibt kriegt er mindestens ein Jahr Haft. Was passiert mit den Abhängigen? Dürfen die anstatt einer Strafe eine Drogenentziehung machen?von Schichau: Ja, das gibt es auch. Entweder man verurteilt sie zu einer Strafe, setzt die auf Bewährung aus und gibt ihnen auf, innerhalb einer bestimmten Zeit eine Therapie zu beginnen oder sie kriegen eine Freiheitsstrafe ohne Bewährung und müssen in den Knast gehen und können dann, wenn sie einen Platz haben, in eine Therapie gehen. Dieser Aufenthalt wird dann der Strafe angerechnet. Manche schaffen aber eine Therapie nur, wenn sie vorher im Knast gesessen haben. Wie alt sind die Drogenangeklagten im Durchschnitt?von Schichau: Im Schnitt zwischen 20 und 30 Jahre. Der Jüngste war 14. Es gibt aber Drogenkonsumenten, die jünger als 14 sind. Aber müssen Jugendliche dann auch ins Gefängnis?von Schichau: Das hängt von dem Fall ab, aber das ist eher die Ausnahme. Bekommen Sie einen Bericht darüber, ob die Angeklagten nach dem Entzug wirklich clean sind?von Schichau: Ja. Sie werden nur aus der Klinik entlassen und kommen nicht mehr in das Gefängnis zurück, wenn bescheinigt wurde, dass die Therapie erfolgreich war. Trotzdem wird mehr als die Hälfte rückfällig. Warum wird die Eifel so oft als "Drogenregion" angesehen?von Schichau: Das liegt an der Grenznähe. In Holland herrscht dieselbe Rechtslage wie in Deutschland. Nur handhaben die Niederländer das liberaler. Außerdem liegen die Preise für die Drogen 50 Prozent niedriger als hier. Das reizt die Leute ungemein. Denken Sie, dass die Jugendlichen genug über Drogen aufgeklärt sind?von Schichau: Eigentlich nicht. Mich wundert es immer wieder, dass insbesondere die weichen Drogen wie Marihuana und Haschisch so verharmlost werden. Heute sind die Wirkstoffgehalte bei diesen Drogen fast um das Zehnfache höher als in den 60-er Jahren. Das ist viel härter als Heroin! Und trotzdem bringen die Leute das oft auf dieselbe Ebene wie Alkohol und Zigaretten. Sollte es mehr junge Beamte bei der Polizei geben, die sich intensiver um Jugendliche kümmern können?von Schichau: Ja, das gibt es hier tatsächlich schon. In Bitburg sind zwei Beamte angestellt, die sich nur um Jugendliche kümmern. Das ist eine große Ausnahme. Man muss Aufklärung betreiben, mit den Leuten sprechen und auch einen gewissen Druck ausüben. Kein Richter, Staatsanwalt oder Polizist bildet sich ein, das Drogenproblem zu lösen, indem er alle verfolgt. Nur die Kombination aller möglichen Maßnahmen macht was aus. Der ZOB in Bitburg ist als "Drogenhandelsplatz" bekannt. Können Sie dazu mehr erzählen?von Schichau: Nicht nur der ZOB ist, was Drogen angeht, berühmt berüchtigt. Doch gerade wegen des Aufkommens vieler Passanten und vor allem vieler Schüler, ist er genauso beliebt wie ein Bahnhof. Und wenn man was mit Drogen im Sinn hat, findet man dort genug von denen, die was kaufen wollen. Wenn man genug solcher Leute auf Dauer hat, kann das auch zu anderen Kriminalitätsformen führen. Beispielsweise wird dieses Toilettengebäude immer wieder kaputtgeschlagen oder verdreckt. Die Polizei lehnt es ab, regelmäßig mittags zwischen halb eins und halb zwei präsent zu sein. Denken Sie, dass die Polizei das Drogenproblem unter Kontrolle hat?von Schichau: Sofern die Polizei tätig wird, hat sie es unter Kontrolle. Aber sie kann nur das kontrollieren, was sie auch sieht. Wenn also zu wenig Polizisten vor Ort sind, kann sie ja nicht alles sehen. Und was sie nicht sieht, wird natürlich auch nicht von den Statistiken erfasst. Für die Polizisten ist das wahrscheinlich total in Ordnung. Aber für diejenigen, die, wie ich, auch hinter die Kulissen gucken, ist klar, dass die Lage durchaus nicht in Ordnung ist. Stimmt es, dass die Zollbeamten an den Grenzen, zum Beispiel zu Luxemburg, viele Drogenschmuggler erwischen?von Schichau: Neben der Polizei gibt es ja noch eine so genannte "Mobile Kontrollgruppe" des Zolls. Das sind 15 Leute, die völlig frei den Grenzbereich kontrollieren. Die sind unglaublich erfolgreich. Wenn es die nicht gäbe, gäbe es hier viel weniger Drogenverfahren. Wie haben Sie mit Ihren eigenen Kindern über Drogen geredet? Haben Sie die viel aufgeklärt?von Schichau: Ja, meine Kinder wissen schon, dass man mit Drogen möglichst nichts am Hut haben sollte. Aber es ist - nicht nur auf meine Person bezogen - wichtig, dass man den Kindern auch etwas anderes bietet, als dass die möglichst mit 13, 14 Jahren schon durch die Gegend streunen und Mixery trinken und auf Partys gehen. Man muss als Elternteil sagen können "Nein, du machst das nicht!" Man muss den jüngeren Leuten beibringen, dass es eben auch eine "Nein-Sage-Zeit" gibt, in der man dann verstehen muss, dass man nicht alles darf. Also denken Sie, dass es viel von den Eltern abhängt, dass dieses Umfeld überhaupt einmal entsteht.von Schichau: So ist es. Das ist ein allgemeines Problem. Nicht nur bei Drogen, sondern auch sonst. Ich bin ja auch sonst Jugendrichter für alle möglichen anderen Delikte. Da gibt es ganz schwierige häusliche Verhältnisse, in denen die Kinder ohne Regeln aufwachsen. Und die Fehlentwicklungen, die da vorkommen, sind zu 80 Prozent im Elternhaus verursacht. Den Jugendlichen ist oft der wenigste Vorwurf zu machen. S Mit Werner von Schichau sprachen Denise Bier, Anna Kewes und Andrea Marxen.

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