Der Heilige Rock: Ein Pilger-Magnet seit 500 Jahren

Fast auf den Tag genau 500 Jahre nach der ersten Zeigung des Heiligen Rocks beginnt am 13. April die diesjährige Wallfahrt. Während diese Jubiläumswallfahrt ein freudig erwartetes und intensiv geplantes Großereignis ist, so galt für die erste Heilig-Rock-Ausstellung: Sie kam völlig überraschend, nicht unbedingt zur Freude des Trie rer Bischofs und wurde von "staatlicher" Seite angeregt.

 Ursula Bartmann. Foto: privat

Ursula Bartmann. Foto: privat


Als Kaiser Maximilian I. im Frühjahr 1512 auf einem Reichstag in Trier weilte, verlangte er von Erzbischof Richard von Greiffenklau, die Tunika Christi zu sehen. Es wird dem Trierer Bischof und dem Domkapitel nicht leichtgefallen sein, dem kaiserlichen Wunsch zu entsprechen, ruhte doch die Tuchreliquie über Jahrhunderte unberührt im Hochaltar des Doms. Zunächst nur im exklusiven Kreis gezeigt, wurde aus dieser Präsentation bald schon eine "Volks-Bewegung". Denn die Kunde von der Zeigung des Heiligen Rocks führte, zeitgenössischen Berichten zufolge, schlagartig zu einer großen Wallfahrt.
Der Grundstein einer 500-jährigen Wallfahrtstradition war damit gelegt, innerhalb derer es bisher 17 große Wallfahrten - meist zu besonderen Anlässen - gab. Zwar versuchte man im 16. Jahrhundert einen regelmäßigen Rhythmus festzulegen, doch ließ sich das aufgrund der politisch schwierigen Zeitumstände nicht realisieren. So fand im 17. und 18. Jahrhundert nur eine Wallfahrt statt; die Reliquie wurde aus Sicherheit meist in der Koblenzer Festung Ehrenbreitstein verwahrt.
Während einer kurzen Friedenszeit nach dem Dreißigjährigen Krieg ließ der Trierer Erzbischof Carl Caspar von der Leyen die Tuchreliquie öffentlich zeigen, um ein Zeichen zu setzten für den religiösen Neubeginn in seinem Erzbistum. Mehrere Zehntausend Pilger strömten 1655 in die kleine Stadt Trier, die kaum 3600 Einwohner zählte.
Im 19. und 20. Jahrhundert fanden jeweils drei große Wallfahrten statt, bei denen sich mehrere Hunderttausend Pilger in der Domstadt versammelten. Die zahlenmäßig größte Wallfahrt war 1933, als etwa 2,2 Millionen Menschen nach Trier kamen.
Jede Zeit und ihre Umstände prägten die Wallfahrten in jeweils eigener Weise. Eines jedoch blieb über die Jahrhunderte für alle Heilig-Rock-Wallfahrten in gleicher Weise bestimmend: Die Ausstellung der Tuchreliquie wollte und will religiöse Akzente setzen, das kirchliche Leben beflügeln und neue Glaubensimpulse geben.
Dies taten besonders die zurückliegenden beiden Heilig-Rock-Wallfahrten des 20. Jahrhunderts (1959, 1996), an die sich noch so mancher erinnern kann. Sie trugen erstmals ein christologisches Leitwort und wollten schon damit ein wesentliches Wallfahrtsanliegen ins Zentrum rücken: Der Heilige Rock wird in Trier verehrt als ein Zeichen für Jesus Christus. Er ist es, dem die Verehrung gilt.
Wichtige Impulse aus 1996


Die bisher letzte Wallfahrt 1996 unter Bischof Hermann Josef Spital konnte dies bereits mit ihrem Motto "Mit Jesus Christus auf dem Weg" verdeutlichen und hierdurch wirksame ökumenische Impulse setzen. Erstmals waren evangelische Gemeinden und Kirchenkreise an der Vorbereitung und Durchführung der Wallfahrt beteiligt - eine echte Sensation.
Waren die früheren Wallfahrten fast ausschließlich Veranstaltungen gewesen, an denen sich die Geister der Konfessionen schieden, so gelang es, die Wallfahrt von 1996 erstmals zu einer ökumenischen Pilgerreise werden zu lassen. Der damalige Wallfahrtsleiter und heutige Bischof von Münster, Felix Genn, resümierte: "Sicherlich ist die Ökumene das Erlebnis dieser Wallfahrt schlechthin. Jesus sprengt alle konfessionellen und räumlichen Grenzen."
Die Heilig-Rock-Wallfahrt dieses Jahres fällt in eine geschichtliche Situation, in der viele vertrauensbildende Zusammenhänge in Staat, Gesellschaft und Kirche zerbrechen. Angesichts dieser Umbrüche, Vertrauenskrisen, Stagnationen und Frustrationen erscheint das gewählte Leitwort wie ein um Heilung rufendes Bittgebet: "… und führe zusammen, was getrennt ist." Möge die Wallfahrt 2012 in vieler Hinsicht ihre einigende, wegbahnende Kraft entfalten.

Ursula Bartmann
Ursula Bartmann ist Autorin des Buchs "Ein ‚Reiseführer\' zum Heiligen Rock", erschienen im Paulinus-Verlag Trier 2010. Die studierte Germanistin und Theologin ist 52 Jahre alt und wohnt mit ihrer Familie in Trier-Tarforst.

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