Eine Schreibmaschine als Andenken

Schweich · In den 50er Jahren war Stefan Andres Bestsellerautor, heute wäre er dem Vergessen preisgegeben. Gäbe es da nicht die Stefan-Andres-Gesellschaft. 1979 mit Sitz in Schweich gegründet, hält sie Andres' 8000 Seiten umfassendes Werk lebendig. Ein neues Heft zeigt Andres als Autor, der während der Nazizeit im Geheimen geschrieben hat.

 Wolfgang Keil, Präsident der Stefan-Andres-Gesellschaft, platziert Andres' Schreibmaschine auf dem frisch restaurierten Schreibtisch des Schriftstellers im Schweicher Museum. TV-Foto: Sybille Schönhofen

Wolfgang Keil, Präsident der Stefan-Andres-Gesellschaft, platziert Andres' Schreibmaschine auf dem frisch restaurierten Schreibtisch des Schriftstellers im Schweicher Museum. TV-Foto: Sybille Schönhofen

Schweich. Um den Schriftsteller Stefan Andres, der seine Wurzeln an der Mosel hatte, Lesern zugänglich zu machen, bringt die Stefan-Andres-Gesellschaft (StAG) eine Schriftenreihe heraus. Die Hefte beinhalten kurze Texte des Autors, die zum Teil erst durch Mitarbeiter der Gesellschaft in Archiven entdeckt wurden.
Berühmtes Buch: "El Greco"


Dieses Jahr erschien der dritte Teil mit Kurzprosa aus den Jahren 1933 bis 1945. Fünf weitere Hefte sind in Planung. Für den Studiengebrauch stellt die StAG sie kostenlos zur Verfügung.
Außer den Novellen "El Greco" und "Utopia", die noch in einer Gesamtausgabe bei dtv erscheinen, waren bis ins Jahr 2007 alle Werkausgaben von Stefan Andres vergriffen. In jenem Jahr begann die StAG, eine neue, neunbändige Edition herauszugeben, von der bereits fünf Bände im Wallstein Verlag erschienen und somit wieder im Buchhandel erhältlich sind. Erstmals mit umfassendem Kommentar.
Der Präsident der StAG, Wolfgang Keil, sucht nach Gründen für Andres' geschwundene Popularität: "Viele denken, man könne ihn nur in der Kirche hören." Keil sieht ihn anders. Nicht als den Autor erbaulicher Lektüre, auf den er oft reduziert wurde. Für Keil ist er "ein ganz großer Meister der kleinen Form und des verdeckten Schreibens".
300 Besucher verzeichnet das Schweicher Stefan-Andres-Museum im Jahr. In drei Räumen dokumentiert die StAG die Stationen im Leben des Schriftstellers und stellt Andres auch als Maler vor. Erst kürzlich erstand die StAG eines seiner Aquarelle, das den Trierer Dom zeigt.
Besonders stolz ist Wolfgang Keil auf einen anderen Neuzugang: Andres' Erben haben den Schreibtisch zur Verfügung gestellt, an dem der Autor in Lomnitz (heutiges Polen) die Novelle "El Greco" schrieb, eines seiner bedeutendsten Werke.
Umfangreiches Archiv


Noch bedeutender als das Museum ist wohl das Schweicher Archiv einzustufen, das mit Andres-Schriften vergleichbar gut ausgestattet ist wie das Literaturarchiv in Marbach. Neben Handschriften, Briefen und Erstausgaben liegen dort Originalzeitungsausschnitte des Vorabdrucks des Romans "Der gefrorene Dionysos" aus der Frankfurter Zeitung von 1941. Prädikat wertvoll. Oberstufenschüler und Studierende nutzen das Archiv für ihre Fach- und Seminararbeiten oder Dissertationen. "Es ist ein reges Interesse da, aber es reicht nicht aus", bedauert Keil. Der Schweicher Andres werde in seiner Heimat zu wenig beachtet. "Wir müssen noch mehr tun durch Beratung und Beschaffung geeigneter Lektüre, damit die Menschen hier in der Gegend erfahren, was sie an Andres haben."
Extra

 Stefan Andres (1906-1970). Foto: TV-Archiv

Stefan Andres (1906-1970). Foto: TV-Archiv


Stefan Andres wurde 1906 bei Dhrönchen an der Mosel als Sohn eines Müllers geboren. Wegen des Baus der Dhrontalsperre musste seine Familie die Mühle verlassen und zog 1910 nach Schweich. Nach seiner Hochzeit mit einer Halbjüdin emigrierte Andres während der Naziherrschaft nach Italien. Andres starb 1970 und ist in Rom begraben. Das Stefan-Andres-Museum befindet sich im Niederprümer Hof, Hofgartenstraße 26 in Schweich. Es ist dienstags von 14 bis 16 Uhr geöffnet, Info: 0651/67177. Die Stefan-Andres-Gesellschaft hat eine weltweite Mitgliedergemeinde von 370 Personen. Alle drei Jahre vergibt sie den "Stefan-Andres-Preis" an einen Schriftsteller. www.stefan-andres-gesellschaft.de sys

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