Analyse: Ansehen der Kanzlerin sichert Unionssieg

Berlin/Mannheim · Das gute Ansehen von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und ihre Arbeit in den vergangenen Jahren haben nach Einschätzung der Forschungsgruppe Wahlen der Union den Wahlsieg gesichert.

Der CDU-Chefin sei es gelungen, SPD-Herausforderer Frank-Walter Steinmeier in der Kanzler-Frage klar zu distanzieren, teilten die Wahlforscher am Sonntagabend in Mannheim mit. Gewinner sind auch die kleineren Parteien: Sie wurden Angaben der Demoskopen zufolge dank ihres gestiegenen Ansehens gemeinsam so stark wie nie zuvor in der Geschichte der Bundesrepublik. Dagegen markiere die herbe Niederlage der SPD einen „historischen Tiefpunkt“ für die Partei.


Nach vier Jahren großer Koalition bringe das Wahlergebnis eine Wiederbelebung der klassischen Lagerorientierung auch im Verhältnis von Regierungs- und Oppositionsparteien, schreiben die Forscher. Parallel setze sich mit dem großen Erfolg der kleineren Parteien ein langfristiger Basistrend fort, der von allen Parteien zukünftig mehr Flexibilität auf dem „Koalitionsmarkt“ erfordere. Die Parteien in der Betrachtung der Forschungsgruppe Wahlen:

CDU/CSU:
Die zentralen Elemente des Wahlsieges der Union sind Angaben der Demoskopen zufolge ihre Leistungsbilanz, ihr Parteiansehen und vor allem die Kanzlerin. Merkel kompensiere „mit guter Arbeit und bester Reputation die teils erheblichen Vertrauensverluste in die Sachkompetenzen“ der Union. Die CDU-Chefin konnte vor allem mit einem guten persönlichen Image punkten. Sie genießt laut Forschungsgruppe Wahlen mit positiven Noten in allen Lagern das höchste Ansehen eines Kanzlerkandidaten bei einer Bundestagswahl nach 1990.

Basis dafür sei eine ausgezeichnete Leistungsbilanz, wo ihr ähnlich wie in der gesamten Legislaturperiode 78 Prozent eher gute und nur 18 Prozent eher schlechte Arbeit bescheinigen. Die Kanzlerin gilt als glaubwürdiger, sympathischer und durchsetzungsfähiger als Steinmeier. Außerdem halten die Wähler sie für diejenige, die Deutschland besser aus der Krise führen kann. 56 Prozent wollen laut Forschungsgruppe Wahlen lieber Merkel und nur 33 Prozent Steinmeier als Regierungschef (weiß nicht: 11 Prozent).

Die Wähler über 60 Jahre sind die zentrale Stütze des Wahlsieges der CDU/CSU. Hier holt die Union 40 Prozent, in allen anderen Altersgruppen bleibt sie unter ihrem Gesamtresultat. Auch in zahlreichen Politikbereichen muss die Union Einbußen hinnehmen: Zur Bekämpfung der Arbeitslosigkeit, eindeutig größtes Problem für die Deutschen, vertrauen nach 41 Prozent 2005 jetzt noch 29 Prozent auf die CDU/CSU. Kompetenzeinbußen gibt es für die Union auch in den Bereichen Bildung und Steuern, wo immer mehr Bürger bei überhaupt keiner Partei Sachverstand sehen.

SPD:
Für die SPD markiert die Bundestagswahl einen „historischen Tiefpunkt“, schreiben die Wahlforscher. Die Partei kämpfe mit einem strategischen Dilemma: Neben einer stärker in die Mitte gerückten Union verliert sie nach links Wähler, deren Wünsche sie als Regierungspartei nicht bedienen kann. Hinzu kommt die gesunkene Wahlbeteiligung, die nach einem themenarmen, nicht polarisierenden Wahlkampf auf ein signifikantes Mobilisierungsdefizit der SPD verweist. Die Partei muss sich nach Einschätzung der Experten zum Erhalt einer realistischen Machtoption jenseits der Union neu ausrichten.

Im Kampf ums Kanzleramt konnte SPD-Herausforderer Steinmeier Merkel nicht das Wasser reichen. Zwar würden von einem Kanzler Steinmeier in der Sache 58 Prozent der Befragten nicht viel anderes erwarten als von Merkel (besser: 15 Prozent; schlechter: 19 Prozent). Doch in der Detailbewertung und beim Image kommt er Angaben der Forscher zufolge nicht an die Werte Angela Merkels heran. Ihr bestes Ergebnis erzielt die SPD mit 30 Prozent bei den über 60-Jährigen. Vor allem bei den Wählern unter 30 muss sie mit minus 17 Prozentpunkten dramatische Einbußen verkraften. Die SPD kommt in dieser Wählergruppe noch auf 17 Prozent und liegt auf einem Niveau mit der FDP (17 Prozent; plus fünf).

FDP:
Die FDP hat Angaben der Wahlforscher zufolge von den Koalitionsdiskussionen stark profitiert, 32 Prozent ihrer Wähler stehen prinzipiell der CDU/CSU näher. Insgesamt kommt es in den Bündnisfragen zu einer Polarisierung zwischen Schwarz-Rot und Schwarz-Gelb, wobei keine Variante wirklich überzeugt. Eine große Koalition fänden 37 Prozent gut, 39 Prozent schlecht und 21 Prozent egal. Schwarz-Gelb bewerten 39 Prozent positiv und 41 Prozent negativ (egal: 16 Prozent).

LINKE:
Die Linke hat ihr Ansehen bei den Wählern in den vergangenen Jahren verbessert. Auf der +5/-5-Skala wurde die Partei mit minus 1,5 (2005: minus 2,4) weit weniger negativ als zuletzt eingestuft. Ihren relativ höchsten Zuspruch erzielt die Linke mit 10 Prozent in der Sozialpolitik beziehungsweise mit 15 Prozent in Ost-West-Fragen. Eindeutig stärkste Partei wird sie bei arbeitslosen Wählern mit 32 Prozent (plus sieben). Ihr bestes Ergebnis bei den Altersgruppen holt die Linke bei den 45- bis 59-Jährigen mit 14 Prozent (plus vier).

GRÜNE:
Auch die Grünen konnten ihr Image aufpolieren. Auf der +5/-5-Skala verbesserte sich die Partei mit 0,6 (2005: minus 0,2) klar. Ihren relativ höchsten Zuspruch erzielte die Partei mit neun Prozent im Familienbereich. Punkten konnten die Grünen vor allem bei den jüngeren Wähler unter 30 mit 15 Prozent (plus vier).

(Die Zahlen basieren auf einer telefonischen Befragung der Forschungsgruppe Wahlen unter 1657 zufällig ausgewählten Wahlberechtigten in Deutschland in der Woche vor der Wahl sowie auf einer Befragung von 21 061 Wählern am Wahltag.)

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