Gibt es auch Exhibitionistinnen?

"Exhibitionist belästigt Frauen im Zug" - als ich diese Woche eine Meldung über den Deppen recherchiert habe, der es für eine super Idee hielt, in einer Bahn mit heruntergelassener Hose herumzulaufen (TV gelesen, dabei gewesen), habe ich mich staunend gefragt: Warum kriege immer ich die Exhibitionisten ab? Viermal schon dachten fremde Männer, sie müssten sich für mich nackig machen. Und daher finde ich, die 7000 bis 10.000 in Deutschland erfassten Fälle von Exhibitionismus im Jahr sind ungerecht verteilt.

 Exhibitionismus ist ein Männerphänomen. Frauen erregen damit schlimmstenfalls „öffentlichen Ärger" oder bekommen sogar noch Geld dafür. Und in jedem Fall würden sie sich dabei die Socken ausziehen. Foto: dpa

Exhibitionismus ist ein Männerphänomen. Frauen erregen damit schlimmstenfalls „öffentlichen Ärger" oder bekommen sogar noch Geld dafür. Und in jedem Fall würden sie sich dabei die Socken ausziehen. Foto: dpa

Meinen ersten Exhibitionisten traf ich, weil ich als balkonlose Studentin am Moselufer ein Buch las. Ich hatte mir vorgestellt, wie schön es wäre, auf dem Pier zu schmökern, während die Sonne sich auf der Mosel spiegelt und Fischchen vorbeispringen. Stattdessen wackelte es am Ufer im Busch. Heute würde ich zum Handy greifen und die Polizei rufen. Doch gab es damals noch keine Handys (zumindest nicht in meinem Leben) und außerdem dachte ich, es würde den Typen im Busch noch mehr ärgern, wenn ich ihn ignoriere und total relaxt weiterlese. Das tat ich. Keine Ahnung, ob er sich ärgerte. Ich schon. Weil es mit Sonne und Fischchen fortan vorbei war. Ich las nur noch auf dem Hauptfriedhof. Da hatte man Ruhe.

Der Nächste streckte mir im Kordeler Freibad durch den handbreiten Fußraum aus der Nachbarumkleidekabine etwas entgegen und es war kein Fuß. Eine physiche Meisterleistung, die mein Wutschrei beendete, bevor es mir gelang, draufzutreten. Ich sah ihn, glaube ich, nie wieder.

Und dann machte ich eines sonnigen Sonntags mit einer guten Freundin einen Paddelausflug auf der Sauer. Bei Bollendorf stiegen wir ins Kanu. Natürlich ohne Handy. Das gab es inzwischen zwar, aber es war wasserscheu. Nach wenigen Flussbiegungen schrie meine Freundin plötzlich: "Katha, oh nein, guck nicht!" Was würden Sie machen, wenn jemand perplex auf das deutsche Ufer der Sauer starrt und ruft "Oh nein, guck nicht"? Siehste. Na klar hab ich geguckt. Und mich geärgert, dass mein Handy im Auto lag. Vor allem, weil hinter uns ein Boot voller Kinder war. Ein paar Hundert Meter weiter stand am luxemburgischen Ufer schon der nächste Nackedei, so dass nun ich vergeblich rief: "Oh nein, guck nicht!"

Als ich all das meinem Chef erzählte, fragte er, ob es auch Exhibitionistinnen gebe. Natürlich gibt es sie. Nur haben die es besser: Während ein entblößter Mann sich strafbar macht, erregt die Frau (wenn sie sich anstrengt) nur ein "öffentliches Ärgernis" oder bekommt vom Playboy ein Heidengeld. Katharina Hammermann

Deutschland steckt voller Rätsel. Meist merkt man es nicht. Man zapft blasenfrei, ohne sich zu fragen, was das soll. Man geht zum Arzt und wartet brav, obwohl man doch einen Termin hatte. Und wer kauft nur all diese Kittelschürzen? "Katharina staunt" - die Kolumne unserer Chefreporterin Katharina Hammermann.

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