Männer in Strumpfhosen

"Hast du dir etwa die Leggins deiner Schwester Lena geliehen?" Tante Hilde starrt auf Moritz' rot gepunktete Beine. "Stramm", lacht Onkel Max, der aus München zu Besuch ist und beim Oktoberfest immer Lederhosen und Kniestrümpfe anhat.

Mit "stramm" meint er Moritz' runde Fußballer-Waden, die sich unter der engen Stretchhose abzeichnen. Moritz schaut die beiden hochnäsig an: "Ihr habt ja keine Ahnung. Das sind Leggins für Männer. Deshalb heißen sie auch 'Meggins'. Haben jetzt alle." "So was hat die Welt noch nicht gesehen", meint Tante Hilde kopfschüttelnd.

Hat sie doch. Leggins, die Hosen, die aussehen wie abgeschnittene Strumpfhosen, waren in früheren Jahrhunderten bei Männern absolut "in", in allen Farben. Das sieht man auf vielen alten Bildern. Könige und adelige Herren ließen sich besonders gern in engen Strumpfhosen abbilden.

Schon damals zeigten die Herren darin voll Stolz ihre strammen Waden und kräftigen Oberschenkel. Damit wollten sie vor allem die Damen beeindrucken. Wer an Muskeln nichts zu bieten hatte, polsterte seine Beine oben herum mit kurzen Pumphosen auf.

Die Vorläufer der männlichen Leggins hatten zudem den Vorteil, dass man sich darin besser bewegen konnte als in den Hosen von heute. Die große Bewegungsfreiheit von Leggins und Strumpfhosen nutzen Männer seit langem auch noch anderswo, ohne dass sich jemand aufregt: im Ballett. Mit den engen Hosen gelingen die Ausfallschritte - das sind die großen Schritte nach vorn - viel besser. Außerdem ist das Ballett eine Körpersprache. Das bedeutet: Statt zu reden, sprechen Tänzer durch die Bewegungen ihres Körpers. Damit man sie versteht, ist es wichtig, dass man jede Bewegung genau sieht. Und das ermöglichen die engen Hosen. Die Strumpfhosen machen außerdem aus den Beinen Linien. Ein Tänzer in eng anliegendem Top und Strumpfhose wirkt fast so wie eine Bleistiftzeichnung, die in Bewegung gerät.

Eva-Maria Reuther

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