Mensch ... Alice Schwarzer!

Was tun Sie meinem Weltbild an? Konten in der Schweiz, das war in meinem Kopf immer was für moralfreie Multimillionäre, für skrupellose Superreiche und asoziale Ausbeuter. Und Frauenbewegung, das war was für fortschrittliche Freiheitskämpfer, engagierte Emanzipationsfreunde und aufgeklärte Avantgardisten. Also quasi für die besseren Menschen.

Offenbar kriegt man das erstaunlich gut unter einen Hut. Da liegen Ihre schwarzen Milliönchen lautlos in der Schweiz herum und werfen offenbar mehr Zinserträge ab, als die gesamte Emma-Redaktion verdient. Und Sie geben die deutsche Moralinstitution schlechthin und stellen alles in den Senkel, was sich um einen Millimeter von jeglicher Verhaltensweise entfernt, die Sie für richtig halten. Gratulation: So viel Heuchelei schaffen sonst allenfalls Kirchenfürsten - und da auch nur die schlimmsten.

Dazu passt Ihre raffinierte Verteidigungsstrategie: Sie rufen laut "Haltet den Dieb!", meinen aber gar nicht Alice Schwarzer, sondern den armen Finanzbeamten oder Bänker, der Ihren Fehltritt ausgeplaudert hat. Sich selbst attestieren Sie großzügig einen "Fehler", Ihre Kritiker aber sind Rufmörder und Denunzianten, deren Taten also weitaus schäbiger sind als der kleine lässliche Irrtum, der Ihnen da versehentlich unterlaufen ist. Und die versammelte Interessengemeinschaft deutscher Steuerhinterzieher applaudiert Ihnen begeistert, so als wäre Steuerbetrug keine rechtswidrige Straftat mehr, wenn man ihn noch schnell gesteht, bevor er sowieso auffliegt. Dabei verzichtet der Staat in diesem Fall doch nur auf die eigentlich angemessene Strafe. Mit Freispruch hat das nichts zu tun.

An der Qualität der Ausreden müssen Sie noch ein bisschen feilen. Dass Sie sozusagen aus Notwehr das Geld in die Schweiz schaffen mussten, um Ihre Flucht vor einer Bedrohung an Leib und Leben vorzubereiten: Da klang noch die windigste Prozesseinlassung von Jörg Kachelmann entschieden überzeugender.
Ich hätte da eine viel plausiblere Erklärung: Sie, liebe Frau Schwarzer, haben festgestellt, dass die Frauenquote bei Steuerhinterziehern weit hinter den Ansprüchen des Gender Mainstreaming zurückbleibt. Hoeneß und Rummenigge, diese bayerische Ausgabe von Butch Cassidy & Sundance Kid, dazu Boris Becker und Theo Sommer, nicht zu vergessen Zumwinkel von der Post und Freddy von der Waterkant: Lauter Männer, die sich mal wieder alle Vorteile verschafft haben. Da blieb Ihnen ja gar nichts anderes übrig, als sich im Sinne praktizierter Gleichberechtigung quasi zu opfern.

Eigentlich würden Sie einen Orden verdienen - aber das Bundesverdienstkreuz haben Sie ja schon. Wie übrigens alle in diesem Artikel genannten Steuerbetrüger.

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