Mensch ... David Cameron!

Mal ehrlich, ganz unter uns: So wie Sie ist mir seit der seligen Margaret Thatcher kein englischer Premierminister mehr auf den Keks gegangen. Da schleppen sich 160 Millionen Europäer an die Urne und wählen ein Parlament. Übrigens nachdem man ihnen versichert hatte, der Spitzenkandidat der stärksten Fraktion werde nicht, wie bisher üblich, Frühstücksdirektor der Volksvertretung, sondern neuer Kommissionspräsident.

 Der britische Premierminister David Cameron

Der britische Premierminister David Cameron

Foto: Olivier Hoslet, dpa

Dann wird ein grundsolider Konservativer wie Jean-Claude Juncker gewählt, also einer, dem Sie politisch gar nicht so fernstehen. Und tatsächlich, zur allseitigen Überraschung, halten sich die Fraktionen - sogar Herr Schulz und seine Sozis - an die Absprache und schlagen ihn vor.

Und dann sagen Sie: Ätsch, ätsch, war alles nur Spaß. Lieber Wähler, dein Kreuzchen hättest du auch auf dem Teebeutel machen können. Wir Briten mögen den Juncker nicht. Sucht euch jemand anderen, sonst treten wir aus der EU aus. Ja geht's noch? Parlament, Demokratie, Abstimmung, Wähler: Das interessiert Sie alles in etwa so sehr wie der Schaum auf Ihrem Bier.

Dafür fühlen Sie sich gut in der Gesellschaft von (bestenfalls) Halbdemokraten wie Ihrem ungarischen Kollegen Orban. Der mag Juncker auch nicht. Vielleicht, weil Juncker - wir kennen ihn hier in Trier ganz gut - ein Europäer ist und kein verkappter Nationalist. Und weil er die EU als Zukunftsprojekt betrachtet und nicht als Selbstbedienungsladen für nationale Interessen.

Das haben Sie und Ihre Briten immer schon etwas anders gesehen. "I want my money back", keifte einst Ihre Eiserne Lady und erpresste sich jede Menge Sonderboni. Beim Euro haben Sie gar nicht erst mitgemacht. Noch weniger EU als in Großbritannien geht eigentlich nicht. Und, hat es Ihnen was genutzt? Ein rechter Vollpfosten wie Herr Farage holt trotzdem 28 Prozent. Oder gerade deshalb: Je näher Sie ihm inhaltlich rücken, desto stärker wird er.

Wissen Sie was: Wenn Sie die EU nicht wollen, gehen Sie doch. Ja, das würde Schaden anrichten. Aber allemal weniger als die Wähler-Verarsche, die Sie Europa aufzwingen wollen. Klinken Sie sich aus dem kontinentalen Leben aus, orientieren Sie sich ganz an Ihren amerikanischen Freunden. Lassen Sie Chelsea und Manchester statt in der Champions League in der US-Operetten-Fußballliga spielen. Aber vergessen Sie eines nicht: Der Weg vom Linksverkehr zur Geisterfahrt ist manchmal kürzer, als man denkt. Dieter Lintz

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