Der Vorhang zu und alle Fragen offen

In Griechenland kocht die Volksseele. Demonstranten versuchen das griechische Parlament zu stürmen. Angesichts des Ringens zwischen der Regierung und der EU-Troika um die Rettung des Mittelmeerlandes vor dem Finanz-Kollaps ist dies kein Wunder.

In den kommenden Jahren sollen rund 14 Milliarden Euro gespart werden. Um die Dimension zu erfassen: Luxemburgs gesamte Schulden belaufen sich auf 7,7 Milliarden Euro - also auf etwa die Hälfte der geforderten griechischen Einsparsumme. Hinzu kommen Entlassungen von 150.000 griechischen Staatsbediensteten. Auch hier ein Vergleich: In der gesamten Region Trier arbeiten ebenfalls rund 150.000 Menschen. Weitere Einschnitte soll es beim Mindestlohn geben - um rund 22 Prozent von 751 Euro auf 586 Euro monatlich.

Verständlich sind die Ängste vieler Griechen, nun hinhalten zu müssen für eine jahrelange Finanzpolitik des Versagens - zumal es in ihren Augen überwiegend die Schwachen in der Bevölkerung trifft. Umgekehrt hat die Bevölkerung davon profitiert, dass die öffentliche Verwaltung aufgebläht wurde, ein System der Vetternwirtschaft florierte und die Staatsverschuldung innenpolitisch keine Rolle zu spielen schien. Und auch die EU muss sich eingestehen, einen notorischen Defizitsünder nicht früher an die Kandare genommen zu haben. Und nun? Gibt es überhaupt eine Lösung? Zumindest keine zufriedenstellende für alle Parteien. Irgendwie empfindet man das aktuelle griechische Drama wie die Nachrede in Berthold Brechts Sozialdrama "Der gute Mensch von Sezuan", in dem es heißt: "Wir stehen selbst enttäuscht und sehn betroffen, den Vorhang zu und alle Fragen offen."

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