Das Alter offensiv verkaufen

Trier · Alt? Na und? TV-Kolumnist Martin Wehrle erklärt, warum auch ältere Arbeitnehmer nicht zum alten Eisen gehören.

"Ich brauch mich doch erst gar nicht zu bewerben - mit 48 gehöre ich als leitender Ingenieur längst zum alten Eisen!"
"Können Sie denn weniger als die Jüngeren?"
"Im Gegenteil: Die Uni-Abgänger stehen bei mir Schlange; der Experte für knifflige Fragen bin ich.
"Aber in Ihren Bewerbungsanschreiben heißt es: ‚Trotz meiner 48 Jahre bin ich noch lernfähig.' Das klingt nicht selbstbewusst, das klingt wie eine Entschuldigung."
"Ist es ja auch! In den Unternehmen herrscht Jugendwahn."
"Das mag für einige Branchen stimmen. Etwa für Werbeagenturen und Internet-Firmen. Aber es stimmt nicht überall. Am wenigsten in Traditionskonzernen, etwa Stahl und Energie. Gerade Führungskräfte profitieren in Deutschland von einem höheren Lebensalter."
"Behaupten Sie …"
"Nicht nur ich! Aus einer Umfrage geht hervor: 69 Prozent der deutschen Firmen ziehen Führungskräfte vor, die ein ‚gewisses Alter' erreicht haben. Man gesteht Älteren mehr Erfahrung, Reife und Kompetenz zu. In England legt nur jede fünfte Firma auf ein gehobenes Alter wert."
"Schöne Worte - aber für mich zählen die Taten!"
"Immer mehr Firmen fördern Ältere. Auch eigennützig, weil die Jungen knapp werden: 2015 steigt das Durchschnittsalter der Deutschen auf 44 Jahre. Jugendwahn würde leere Schreibtische bedeuten.
"Aber nicht jeder Opi wird deshalb befördert …"
"Sagen wir: 45 bis 55 sind noch ein gutes Alter, um Hauptabteilungsleiter, Geschäftsführer oder Vorstand zu werden. Auch als Fachkraft haben Sie Chancen, wenn Sie zeigen: Sie sind nicht nur älter und teurer, Sie können auch mehr als jüngere Kandidaten."
"Dazu müsste ich den Arbeitsplatz doch erst mal haben!"
"Das geht auch beim Bewerben. Verkaufen Sie Ihr Alter offensiv. Vergleichen Sie die Herausforderungen, vor denen die Firma steht, mit solchen, die Sie schon bewältigt haben. Wo liegen die Parallelen? Ihre Erfahrungen sind die Eintrittskarte."
"Und das soll funktionieren? Auch noch mit 48?"
"Sogar mit 73! So alt war Adenauer, als er Kanzler wurde.".

Unser Kolumnist Martin Wehrle (geboren 1970) gehört zu den erfolgreichsten Karriereberatern in Deutschland. Sein aktuelles Buch: "Bin ich hier der Depp? Wie Sie dem Arbeitswahn nicht länger zur Verfügung stehen",
Mosaik, 14,99 Euro.

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