Reaktionäre Intendanten, nackte Tenöre, gealterte Wilde und swingende Beatles

Vielleicht wird es doch einmal Zeit, über eine Art europäischen Kultur-Boykott gegenüber Ungarn nachzudenken. Am Mittwoch hat der von der Regierung ernannte Intendant des Neuen Theaters Budapest seine Arbeit aufgenommen: Ein ausgewiesener Rechtsradikaler, Nationalist, Hetzer und Antisemit. Mehrere Hundert Menschen protestierten gegen die politische Personalie.

Ob demnächst in Schwerin Hunderte gegen eine Theaterschließung auf die Straße gehen, ist noch nicht entschieden, wird aber wahrscheinlicher. Drei Monate nach einer noch eben abgewendeten Insolvenz steht Staatstheater-Intendant Joachim Kümmritz schon wieder vor dem Gang zum Amtsgericht. Gelingt es nicht, ein neues Finanzloch von 1,4 Millionen Euro zu schließen, ist in drei Wochen Schluss. Der Stadtrat lehnte einen weiteren Rettungsplan zunächst ab. Mitte Februar soll es eine Sondersitzung geben. Im 180 Kilometer entfernten Berlin (Motto: arm, aber sexy) hat man ganz andere Probleme. Skandal-Regisseur Calixto Bieito brachte am Sonntag in der Komischen Oper den "Freischütz" heraus, wie gewohnt als Spektakel mit reichlich Blut und einem über weite Strecken unbekleideten Titelhelden. Der "Psycho-Thriller" (Bieito) mit umfänglichen Ausflügen in den Wahnsinn endete denn auch - anders als beim Komponisten - mit dem Ableben aller wesentlichen Figuren. Das Publikum mischte Bravos und Buhrufe, ohne sich freilich so richtig aufzuregen. Für Aufregung sorgt dagegen immer noch jeglicher Versuch, Richard Wagner und die jüdische Kultur unter einen Hut zu bringen. In München hat man diese Woche ein Tanztheater-Projekt vorgestellt, das ein Tabubruch werden könnte. Im Sommer wird die israelische Choreografin Saar Magal den Streit um den Antisemiten Wagner und seine Bedeutung für Nazi-Deutschland in einer Performance auf die Bühne bringen - zu Wagner-Musik, versteht sich. Spezialisten des Tabubruchs waren in den 60er Jahren der Bildenden Kunst die seinerzeit "jungen Wilden" um Josef Beuys, Sigmar Polke und Georg Baselitz. Eine Fotoausstellung im Düsseldorfer Museum Kunstpalast dokumentiert bis zum 29. April die großen Köpfe der Aufbruchszeit in Porträt-Bildern und bei der künstlerischen Arbeit. Die Aufnahmen stammen aus den 50er bis 80er Jahren. Etwa zur gleichen Zeit, als Beuys 1961 in Düsseldorf seine Weltkarriere startete, unterschrieb ein junger Mann namens Paul McCartney den ersten Plattenvertrag mit einer Nachwuchsband namens Beatles. Am heutigen Freitag, wenn sein 22. Studio-Soloalbum erscheint, gilt er als erfolgreichster Pop-Komponist der Welt. Mit "Kisses on the Bottom" geht er zurück in die Swing-Ära seiner Kindertage. Seinen Beatles-Kollegen Ringo Starr rechnet man nicht unbedingt unter die begnadeten Komponisten - aber auch der Drummer, inzwischen stolze 71, ist ab kommender Woche mit einem neuen Album am Markt. Es heißt "Ringo 2012".

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort