Von Kopien und Originalen
Im Jahr 2000 hatte ich Gelegenheit, mit Karl Lagerfeld in Paris zu plaudern. Er hatte gerade ein neues Parfüm kreiert, eine völlig neue Duftnote, und die Modewelt lag ihm zu Füßen.
Im Gespräch gab sich Lagerfeld als großer Junge: Er griff zum Flakon, als wäre es eine Wasserpistole, besprühte meine Begleiterin und lachte schallend. Meine zahlreichen Fragen beantwortete er in der Geschwindigkeit eines Maschinengewehrs.
Da wollte ich wissen: "Fürchten Sie denn keine Plagiate, Herr Lagerfeld?" Schlagartig verstummte er. Sein Blick wanderte zur Decke, als wäre die Antwort im Stuck der Pariser Altbauvilla zu lesen. Erst nach einer gefühlten Ewigkeit entspannten sich seine Gesichtszüge, und fröhlich rief er: "Kopie ist immer ein Kompliment."
Wie wahr! Ob Sie eine Ablage optimieren, eine Dienstleistung erfinden, ein Tool einführen oder einen bestimmten Führungsstil prägen - sobald andere auf Ihren Spuren wandeln, in Ihrem Unternehmen oder anderswo, dürfen Sie sicher sein: Irgendetwas machen Sie wohl richtig.
Ein Vorreiter hat frischen Wind im Gesicht, seine Verfolger dagegen werden von einer Staubwolke umnebelt.
Allerdings müssen Sie Ihrer Umgebung auch ganz deutlich machen, an welcher Stelle Sie reiten.
Sorgen Sie durch Selbst-PR, also durch Vorträge, durch Meeting-Auftritte, durch Fachartikel und Mails mit entsprechendem Verteiler dafür, dass Innovationen mit Ihrem Namen verbunden werden - so wie Lagerfelds zahlreiche Erfindungen mit seinem Label!Plagiatoren sind Ihr Glück; sie bestätigen Ihre Richtung, und sie verhelfen Ihnen zu besserer Qualität.
Denn nie dürfen Sie stehen bleiben, nie sich auf Innovationen ausruhen.
Vielmehr müssen Sie das Gute ständig verbessern und neue Ideen wagen. Kopien sorgen für bessere Originale.
Unser Kolumnist Martin Wehrle (geboren 1970) gehört zu den erfolgreichsten Karriereberatern in Deutschland. Sein aktuelles Buch: "Bin ich hier der Depp?: Wie Sie dem Arbeitswahn nicht länger zur Verfügung stehen", Mosaik, 14,99 Euro.
