Mein literarischer (Anti)held: Sauron aus "Der Herr der Ringe"

Trier · Winnetou, Robin Hood, Harry Potter oder James Bond - die Literatur hat viele Helden hervorgebracht. Allerdings: Nicht immer müssen es die Hauptcharaktere sein, die uns als Leser am meisten faszinieren. Und nicht immer sind es die "Guten", die uns in ihren Bann ziehen.

Mit "Mein literarischer (Anti)Held" widmet sich der TV neben Lieblingsbüchern, Neuerscheinungen und Hörbüchern einer neuen Rubrik der Literaturkolumne. TV-Redakteure schreiben über ihre ganz persönlichen Helden und Antihelden. Heute: Sauron aus "Der Herr der Ringe".

Sauron - der Name des Urbösen in Tolkiens Fantasy-Epos "Der Herr der Ringe" klingt nach einem Monster, das Feuer spuckt und Kinder verschlingt. Aber diese Definition wäre viel zu simpel. Sauron ist ein wesentliches Element im Kampf zwischen Gut und Böse, der die zentrale Basis von Tolkiens Werk bildet. Und im Gegensatz zu vielen Kollegen erschuf Tolkien seinen Antagonisten nicht aus bekannten und langweiligen Stereotypen. Ganz im Gegenteil: Sauron macht bis zu seiner Vernichtung einen richtig guten Job. "Der Herr der Ringe" ist auf den ersten Blick sauber und geradezu simpel geordnet.

Die Guten sind edle und tapfere Krieger, unsterbliche Elben mit einer wunderschönen Sprache oder wenigstens niedliche Gartenzwerge. Die Bösen sind miese Verräter wie der Zauberer Saruman und hässliche, sich in Grunzlauten verständigende Haudraufs wie die Orks. Doch obwohl er bis zuletzt nicht direkt und körperlich in Erscheinung tritt, ist es Sauron, der dem Bösen in Tolkiens Mittelerde sein wahres Gewicht und Gesicht verleiht.

Er hat die Orks erschaffen. Er hat durch List und Grausamkeit Kriege gegen Elben und Menschen geführt, wurde geschlagen und scheinbar vernichtet, hat aber - genau wie das Böse schlechthin - immer überlebt und sich schließlich wieder erhoben. Und so schuf er auch den Meisterplan, ganz Mittelerde ins Verderben und unter seine Knechtschaft zu reißen.

Der eine Ring, den er im Feuer des Schicksalsbergs schmiedete, trug all seinen Hass und seine Grausamkeit - Kräfte, die jeden Träger des Rings verdarben und vernichteten. Diese Form des Bösen ist im oft von Schwertern und Äxten dominierten Fantasygenre geradezu subtil, und sie hätte fast funktioniert, wenn Sam und Frodo nicht bis zuletzt gekämpft und widerstanden hätten. Dennoch war Sauron ein würdiger Gegner, dessen Macht und Bosheit maßgeblich verantwortlich sind für den Ruhm von Tolkiens Epos. Nur logisch, dass dieser sein Werk auch nach Sauron benannt hat.

Denn wie Gandalf richtig sagt, als Saruman ihn verrät: "Es gibt nur einen Herrn der Ringe. Und er teilt seine Macht mit niemandem." Jörg Pistorius

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