Weinkrümel im Mund

Bei der Entwicklung von Lebensmittelprodukten geht es naturgemäß in erster Linie um das Aussehen, den Geschmack und den Geruch. Der Mensch kann aber auch tasten und fühlen. So machen sich die Experten in den Labors – man spricht von Food-Designern“ – Gedanken darüber, wie sich das Zerbeißen eines Kekses oder einer Salzstange im Mund anfühlt.

Bislang dachte ich, diese als Haptik bezeichnete Sinneswahrnehmung sei auf feste oder höchstens sehr dickflüssige Nahrungsmittel beschränkt. Ein Pudding kann sich, je nachdem ob viel oder wenig Sahne drin ist, so oder so im Gaumen anfühlen. Das verstehe ich.

Nun meldet sich aber der Weinkolumnist und Buchautor Stuart Pigott, ein Meister der Weinbeschreibung zu Wort und behauptet: Man kann den Wein auch fühlen. Dazu muss man wissen. In der Weinkritikerszene gilt der als angesagt, dessen Eingebungen in Sachen Weinbeurteilung am ausgefallensten sind. In dieser Hinsicht hat Pigott ein besonderes Talent.

Ich habe mir noch nie Gedanken darüber gemacht, wie sich ein Wein im Mund anfühlt. Anders ist es bei der Wahl des Glases. Ein Wein, getrunken aus einem feinen, modernen, tulpenförmigen Glas, schmeckt in der Tat anders, als ein Wein aus einem Bierhumpen.

Nachdem "Weinpapst" Pigott nun über die Haptik des Weines sinniert, ist zu befürchten, dass in Zukunft in der abgehobenen Weinszene nicht nur darüber diskutiert wird ob das Gewächs möglicherweise nach getrocknetem Salbei oder Heu schmeckt. Vielmehr können sich die Weinkritiker schon mal ganz neue Attribute ausdenken. Einige Vorschläge: Dieser Wein fühlt sich bissig an, jener eher krümelig, der andere matschig.

w.simon@volksfreund.de

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