GLAUBE IM ALLTAG

Mut zur Lebensfreude Unlängst im Urlaub - am Abend bin ich zum Essen im Hotel. Am Nebentisch sitzt eine Frau mit zwei Männern. Das Verhalten der Männer verrät, dass sie mit einer geistigen Behinderung leben.

Als es zum Nachtisch Milchreis gibt, freuen sich die beiden unbändig. Ihr Leibgericht verschwindet löffelweise im Mund. Dazu Laute des Wohlbefindens. Vom Nebentisch höre ich: "Ihr Essverhalten ist unangenehm." Das macht mich wütend. Die Männer aber sind selig; stören sich nicht an Blicken und Bemerkungen. Beim Aufstehen nach dem Essen streicht einer der beiden leicht mit seinem Turnschuh über die Fliesen. Ein leises Quietschen. Sofort ermahnende Blicke von allen Seiten. Er blickt sich um und flüstert zur Betreuerin: "Am lautesten ist das Quietschen, wenn die Schuhe oder der Boden nass sind. Das ist wirklich lustig." Diese Gelassenheit lässt mich schmunzeln und macht mich nachdenklich. Mut zur Lebensfreude - das zählt doch! Wie viel Zeit verwenden wir auf das vermeintlich richtige Benehmen? Die Lebensfreude gut im Zaume halten, das gehört sich so. Nein, ich finde, die Männer mit ihrer Freude über Milchreis und quietschende Schuhe haben Recht. Es gilt doch: "Darum pries ich die Freude, dass der Mensch nichts Besseres hat unter der Sonne, als zu essen und zu trinken und fröhlich zu sein. Das bleibt ihm bei seinem Mühen sein Leben lang, das Gott ihm gibt unter der Sonne." Abends auf dem Weg zum Zimmer streiche ich sanft mit meinen Schuhen über den Boden im Hotelflur. Ein leises Quietschen - ich freue mich. Pfarrerin z.A.Vanessa Kluge

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