Glaube im Alltag

Ich habe auch gedopt Das haben Sie von mir jetzt nicht erwartet? Nun, ich habe kein Epo gespritzt. Mich im Gegensatz zu manchem Radrennfahrer auch nicht mit anderen unerlaubten Mitteln zu Höchstleitungen gebracht.

Die oft gehörte Vermutung "die sind doch alle gedopt", hat sich dennoch fast bewahrheitet. Allerdings ist das alles ziemlich weit weg. Doping kommt bei Ottonormalverbraucher doch nicht vor, oder? Ich gebe zu, auch ich habe es getan: Ein Espresso am Morgen gegen die Müdigkeit. Eine Kopfschmerztablette nach einem feucht-fröhlichen Abend für einen klaren Kopf. Oder das Stoßgebet vor der Operation des Bekannten, um den lieben Gott ein wenig zu unterstützen. An manchen Stellen des Lebens helfen der eine oder die andere eben ein wenig nach. Um der Arbeit nachgehen zu können, auch wenn sie eigentlich krank sind. Um mit einer kleinen Notlüge die unangenehme Situation doch noch zu retten. Oder mit einem schnellen Gebet sich selbst zu beruhigen und zu denken: "Ich habe sogar das getan, was meine Möglichkeiten übersteigt." Bin ich wegen Espresso und Stoßgebet jetzt auch ein Dopingsünder? Die eigentliche Frage aber lautet: Suche ich nach kleinen Leistungssteigerern oder stehe ich zu meiner Begrenztheit? Auch ich helfe eben hier und da in Maßen nach. Wenn ich zum Beispiel glaube, mein Gewissen mit einem kleinen Gebet beruhigen zu müssen. Nichts gegen das Stoßgebet. Es ist nur kein Aufputschmittel. Ein Gebet ist die Gelegenheit, im Gespräch mit Gott und sich selbst zu erkennen, dass ich eben auch Begrenzungen habe. Dann kann ich meine Schwächen aber gelassener annehmen. Meine Grenzen werden mir bewusster. Und mir wird klar: Eigentlich brauche ich das "Alltagsdoping" gar nicht. Pfarrer Dr. Jörg Weber, Evangelischer Kirchenkreis Trier, oeffentlichkeitsarbeit@ekkt.de

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