Über den Kampf ins Spiel

Es gibt im Fußball Mannschaften, denen merkt man Spielwitz und Spielfreude ab der ersten Minute an. Es gibt auch Mannschaften, die müssen erst über den Kampf ins Spiel finden. Bei Regierungen ist es ganz ähnlich.


Die schwarz-gelbe Koalition gehört eindeutig zur zweiten Kategorie. Ihr Programm enthält nichts Wegweisendes, nichts Mutiges. Entlastungen wie Belastungen sind so homöopathisch dosiert, dass sie weder zum Feindbild taugen noch zum Auslöser eines Kursfeuerwerkes. Angela Merkel meinte im Wahlkampf, Schwarz-Gelb sei jene Koalition, mit der es leichter sei, Impulse für den Aufschwung zu geben. Niemand glaubt das nach diesen vier quälenden Verhandlungswochen noch. Und dass Christ- und Freidemokraten besser mit Geld umgehen könnten, kann man auch nicht sagen. Erst einmal wird Geld ausgegeben. Wo im Gegenzug gespart wird, bleibt offen, weil der Kanzlerin ebenso wie dem Vizekanzler der Mut fehlt, Klartext zu reden. Diese unangenehme Aufgabe wird dem armen Wolfgang Schäuble als Finanzminister übertragen. Er soll mit seinen Haushaltsentwürfen die Rechnung für die lauen Kompromisse präsentieren. Vielleicht aber kneift auch dieser erfahrenste und weitsichtigste Politiker der Koalition vor der Aufgabe. Dann wäre das Koalitionsprogramm eine Politik der verbrannten Erde gegenüber jeder Nachfolgeregierung, die ab 2013 wegen der geltenden Schuldenbremse um Steuererhöhungen und Leistungskürzungen endgültig nicht mehr herumkäme. Das allerdings wäre perfide.

Der eine Teil der Koalition, die Union, hat in den Jahren der Großen Koalition den Pragmatismus zu seiner neuen Ideologie gemacht und das Träumen verlernt. Der andere Teil, die FDP, hat ganz im Gegensatz dazu in elf Oppositionsjahren das Realitätsbewusstsein eines Teenagers entwickelt. Die Koalitionsverhandlungen waren in weiten Teilen nichts anderes als der (halbwegs erfolgreiche) Versuch der Union, den gröbsten Quatsch zu verhindern, in Kommissionen zu verlagern oder sonst irgendwie zu vertagen. Ein Zufallsergebnis hat dieser Koalition eine Mehrheit verschafft. Zufall deshalb, weil das Gegenmodell, Rot-Rot-Grün, nicht zur Wahl stand und viele potenzielle Wähler vor allem der SPD zu Hause blieben.

Nun wächst sehr mühsam wieder zusammen, was als bürgerliches Lager zweifellos zusammengehört, was aber augenscheinlich keine gemeinsame Botschaft für eine Gesellschaft hat, die nicht mehr so wie früher von den bürgerlichen Schichten geprägt wird. Vielleicht, je länger das Spiel geht, finden sie diese Botschaft ja noch.

nachrichten.red@volksfreund.de

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