Ärzte in der ethischen Grauzone

Es ist die Horrorvorstellung schlechthin. Ein Patient liegt auf dem OP-Tisch, bereit zur Organentnahme.

Der Hirntod wurde eigentlich festgestellt.
Eigentlich. Plötzlich merken die Ärzte, dass der Spender gar nicht wirklich tot ist. Jedenfalls nicht nach der Definitionen für die Organentnahme.
Lebendig zum Organspender zu werden. Eine kaum erträgliche Vorstellung.
Das sind die Schreckensnachrichten, die viele Menschen davon abhalten, zum Organspender zu werden. Doch wann gilt der Mensch als tot? Es ist gut, dass der politisch unabhängige Ethikrat sich erneut mit dieser Frage beschäftigt hat. Nach medizinischer Definition gilt der Hirntod als unwiderrufliches Ende aller körperlichen Funktionen. Doch ist der Mensch dann wirklich tot? Immerhin hat der Körper dann noch gewisse Steigerungsmöglichkeiten, die durch Maschinen noch erhalten werden können.
Ärzte stehen bei Schwerstkranken, die Organspender sind, vor einer ethischen Herausforderung. Ab einem bestimmten Zeitpunkt stellt sich die Frage, ob die lebenserhaltenden Apparate der Intensivmedizin abgeschaltet werden sollen, weil eigentlich keine Rettung mehr möglich ist.
Bei Organspendern allerdings müssen die wesentlichen Funktionen aufrechterhalten werden, ansonsten dürfen Organe nicht entnommen werden. Werden Menschen künstlich nur am Leben erhalten, um ihre Organe zu erhalten?
Wie steht es um Menschen, die eine Patientenverfügung haben, die gleichzeitig Organspender sind? Sie haben sich zu Lebzeiten gegen lebensverlängernde Maßnahmen entschlossen. Sie wollen nicht mit Maschinen künstlich am Leben gehalten werden. Doch ohne intensivmedizinische Unterstützung können ihnen keine Organe entnommen werden. Ärzte befinden sich also in einer ethischen Grauzone.
Daher ist es unerlässlich, dass Ärzte nach klaren Regeln einen solchen Tod feststellen. Der Gesetzgeber ist gefordert, diese Regeln zu schaffen. Um Ärzte vor Fehlern zu schützen. Und um Angehörigen von Hirntoten die Angst zu nehmen. Und damit hoffentlich auch die Bereitschaft zu steigern, Organspender zu werden. Über 10 000 Menschen in Deutschland warten auf eine Lunge, ein Herz, eine Niere. Jeden Tag sterben drei von ihnen, weil kein passendes Organ für sie gefunden wurde.
b.wientjes@volksfreund.de

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