Am längeren Hebel

Das Ende im Gewürge über die künftige Vergütung der Kassenärzte ist ein Paradebeispiel für die schleichende Verstaatlichung unseres Gesundheitswesens.

Weil die Große Koalition eine Gehaltsaufbesserung von zehn Prozent ins Spiel brachte, um den Start des Gesundheitsfonds nicht auch noch mit dem Zorn der Mediziner zu befrachten, waren die Verhandlungen zwischen Kassen und Weißkitteln zum Schluss nur noch eine Farce. Warum sollte die Ärzteschaft zu schlechteren Konditionen abschließen, wenn sie dank schwarz-roter Vorfestlegungen am längeren Hebel sitzt? So sehr den Medizinern der Honorarzuwachs gegönnt sei, so ernsthaft müssen sie sich fragen, ob der politische Eingriff wirklich zu ihrem Vorteil ist. Ulla Schmidt handelt zweifellos konsequent: Wer eine "Hausnummer" für künftige Honorare nennt, der muss auch ihre Bezahlung absichern. Demnächst legt die Gesundheitsministerin einen Einheitsbeitrag fest, der einer finanziellen Entmündigung der Krankenkassen gleichkommt. Das mag Ärzte und Versicherte erst einmal wenig schrecken. Doch wer über die Beitragshoheit verfügt, der ist am Ende auch Herr über Umfang und Zuteilung medizinischer Leistungen. Erscheint eine Beitragserhöhung politisch einmal nicht opportun, müssen entweder die privaten Zuzahlungen steigen oder Versorgungsansprüche zurückgeschraubt werden. Spätestens dann sitzen alle Akteure des Gesundheitswesens in einem Boot.

Schon bei der nächsten Honorarrunde für die Ärzte dürfte der schöne Schein ihrer Selbstverwaltung Geschichte sein. Statt eines quälenden Verhandlungsschauspiels zwischen Kassen und Medizinern kann die Politik das ärztliche Gehalt gleich selbst festlegen.

nachrichten.red@volksfreund.de

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