Amerika ist überall

Trier · Warum Deutschland und Europa aus dieser Wahl lernen müssen. Ein Kommentar.

Das Positive zuerst: Dieser ekelhafte, unterirdische, schmutzige Kampf ums Weiße Haus ist endlich zu Ende! Wenn auch mit einem Ergebnis, das sehr viele Menschen nicht nur in Deutschland zunächst fassungslos macht .

Wie kann die Mehrheit der Amerikaner den Choleriker, Sexisten, Minderheitenhasser, Spalter und Isolierer Donald Trump zum Präsidenten der angeblichen Führungsmacht der freien Welt wählen, zum Präsidenten der Vereinigten Staaten? Sind die Amis jetzt völlig übergeschnappt?

Zugegeben, es ist sehr einfach, jetzt wieder Wählerbeschimpfung zu betreiben. Doch das wäre viel zu kurz gesprungen. Welche Wahl hatten denn die Amerikaner? Sie hätten einer ehemaligen, weitgehend erfolglosen Außenministerin ihre Stimme geben können. Einer Frau, die nie authentisch wirkte, sondern immer abgehoben, gekünstelt und aufgesetzt. Warum die Mehrheit Hillary Clinton nicht als erste Frau im Oval Office wollte, macht eine Episode vom Mittwochmorgen deutlich . Tausende ihrer Anhänger warteten stundenlang auf die Rede der gescheiterten Kandidatin, suchten Trost und Zuspruch. Statt diesen schweren Gang selbst zu gehen, schickte Clinton ihren Wahlkampfmanager vor - und der die Menschen nach Hause.

Nachdrücklicher kann man kaum demonstrieren, wie egal der da oben die da unten, ihre Probleme, Sorgen und Ängste wirklich sind. Genau dieser Arroganz der Macht haben die Amerikaner die rote Karte gezeigt und sich lieber auf das Abenteuer Trump eingelassen. Der hat zwar von Politik keine Ahnung, aber welchen Unsinn er auch erzählt hat, er war immer das, was man mit authentisch beschreibt. Da stand einer auf der Bühne, der sagte, was er dachte, und er sagte auch, was er tun wollte und was nicht.

Da war nichts Gestelztes, da wussten die Leute, woran sie waren. Da redete einer, wie ihm der Schnabel gewachsen war, Peinlichkeiten, Unverschämtheiten und üble Aussetzer inklusive. Und Trump präsentierte vor allem eins: scheinbar einfache Lösungen für sehr schwierige und vielschichtige Sachverhalte.

Womit wir bei den Gemeinsamkeiten zwischen Europa und Amerika wären. Je komplizierter die Zeiten werden, je komplexer die Probleme sind, desto mehr haben die großen Vereinfacher Konjunktur. Hüben wie drüben werden mit Hingabe Feindbilder gepflegt, Sündenböcke gesucht, wird nach Mauern, Zäunen und Obergrenzen gerufen, soll das Nationale an erster Stelle stehen. Nicht nur Amerika ist gespalten, Europa und mittlerweile Deutschland sind es ebenso. Auch bei uns geht ein tiefer Riss durch die Gesellschaft. Wir haben in Teilen demokratische Regeln verlernt, suchen nicht mehr das Gemeinsame, sondern pochen mit verbalen Tiefschlägen und zum Teil offenem Hass auf den eigenen Standpunkt. Das gab es vorher unter anderem schon in Frankreich und den Niederlanden, wo Rechtsextreme alles infrage stellen, was ein demokratisch organisiertes Gemeinwesen zusammenhält.

Und nicht nur die Entscheidung der Briten, aus der Europäischen Union auszutreten, hat gezeigt, wie zerbrechlich der alte Kontinent auch mehr als 70 Jahre nach der letzten großen Katastrophe immer noch ist. Dazu kommen Länder des ehemaligen Ostblocks, die deutliche Absetzbewegungen aus der EU zeigen.

Sie alle ticken in einem entscheidenden Punkt wie Donald Trump. Es eint sie ein gemeinsames Feindbild. In Europa heißt das Brüssel mit den europäischen Institutionen, in Amerika ist es die Washingtoner Zentralregierung. Das sind in den Köpfen der Vereinfacher die Zentralen des Bösen.

Und doch machen all diese Rechtsausleger einen entscheidenden Denkfehler. Zäune, Mauern, Abschottung, Großmannssucht, Feindbilder, Spaltung und Nationalismus haben weltweit noch nie zu einem guten Ergebnis für die Menschen geführt, sondern noch immer geradewegs in die Katastrophe. Das sollten vor allem wir Deutsche aus unserer eigenen Geschichte gelernt haben. d.schwickerath@volksfreund.de

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort