Angela orientierungslos

Wenn Angela Merkel jetzt die Steuern senkt, gilt sie als wankelmütig und schwach. Wenn sie aber Steuersenkungen erst für die Zeit nach der Wahl verspricht, gilt sie als unglaubwürdig. Es ist die perfekte Falle für die Kanzlerin.Sie suchte ihr auf dem CDU-Parteitag mit der Aussage zu entkommen, dass nichts endgültig entschieden sei und alle Optionen offen blieben.

Das heißt übersetzt: Ich gucke erst mal, wie sich der Wind dreht. Das ist nicht die Art von Führung, die die größte Exportnation der Welt in der vielleicht größten globalen Krise seit Jahrzehnten braucht.

Aber der Fehler wurde weit früher gemacht. Nämlich als die Kanzlerin unter dem Schock des schlechten Wahlergebnisses nicht nur den Reformideen des Leipziger Programms abschwor, sondern auch neue nicht entwickelte. Es gab Formelkompromisse bei Gesundheit und Pflege, mit der Folge steigender Beiträge. Bei den Steuern wurde kräftig zugelangt statt entlastet, mit der Folge, dass die mittleren Schichten von dem Aufschwung nichts gehabt haben. Die, die es anders sahen, vor allem aus der CSU, wurden verscheucht wie lästige Fliegen. Wenn man fragt, was bleiben wird vonMerkels Amtszeit, dann ist es der Ausbau der Kinderbetreuung, ein Projekt Ursula von der Leyens. Und die sinkende Arbeitslosenzahl, ein Ergebnis der guten Konjunktur und der Politik ihres Vorgängers. Natürlich gilt diese Kritik in gleichem Maße auch der mitregierenden SPD. Kanzlerin aber ist Angela Merkel, und wenn sie es wieder werden will, muss sie sich schon die Frage gefallen lassen, was speziell sie Deutschland dafür geben kann.

Bisher ist Angela Merkel die Meisterin der Gremien, der Diplomatie und der Machtabsicherung. Es gibt keinen wirklich Starken mehr neben ihr. Das und der Kanzlerbonus reichen einstweilen, um die Position zu halten. Aber reicht das auch, um Deutschland durch die Krise zu führen und langfristig gut aufzustellen? Es gibt neben ihr in der CDU ja auch keinen mit Finanz- und Wirtschaftskompetenz mehr, der jetzt vielleicht einen Plan hätte. Noch ist nicht ausgemacht, ob Merkel eher als ein Kurt Georg Kiesinger enden wird, der schnell vergessen wurde. Oder als ein Helmut Kohl, der 16 Jahre regierte. Ganz gewiss unpassend sind Vergleiche mit Ludwig Erhard. Der wusste, was und wohin er wollte.

nachrichten.red@volksfreund.de

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