Angst vor Risiko

Gut gedacht ist nicht immer auch gut gemacht. Dies zeigt sich inzwischen immer deutlicher bei der neuen "Wohnimmobilienkreditrichtlinie", die seit dem 21. März gilt.

Danach müssen die Banken verstärkt darauf achten, dass ihre Kunden den Kredit über die gesamte Laufzeit zurückzahlen können. Das war zwar schon immer so, aber mit dem neuen Gesetz nimmt das Risiko für die Banken zu, selbst haften zu müssen, wenn ein Kredit ausfällt.

Folglich schauen die Institute auch genauer hin, wer Geld bekommt. Das wird für so manchen den Traum vom Eigenheim platzen lassen. Vor allem junge Familien und Durchschnittsverdiener haben das Nachsehen: Wer kann schon sagen, was in 20 Jahren ist? Welche Frau, welcher Mann weiß heute bereits, ob sie als Vater und Mutter immer arbeiten, wie viele Kinder sich einstellen und ob der Job krisensicher ist?

Außerdem besagen die neuen Regeln, dass die Kredithöhe den Wert der Immobilie nicht mehr übersteigen darf. Hieß es früher: Das Haus wird mal was wert sein und sich mit Gewinn verkaufen lassen, so werden nun wesentlich mehr Verbraucher ihre Kreditwürdigkeit verlieren, selbst wenn sie in einer wertvollen Immobilie wohnen. Denn dies gilt nicht mehr als Bewertungsgrundlage.

Gerade Rentner, die ihr Haus renovieren oder altersgerecht umbauen wollen und dies allein aus Eigenkapital und Rente zahlen sollen, trifft das besonders hart.

Dass die EU-Vorgabe für das Bundesgesetz vor dem Hintergrund der Immobilienblase in den USA entstanden ist, mag verständlich sein. Denn auf wertlose Häuser und Hütten immer mehr Hypotheken aufzunehmen, die niemals getilgt werden, weil eine Wertsteigerung ausbleibt, das ist zum Scheitern verurteilt.

Dennoch ist die Situation in Deutschland ganz anders als in den USA, Spanien oder Griechenland. Hierzulande haben weniger Menschen Wohneigentum. Zwangsversteigerungen gibt es eher selten, und wenn, dann nicht weil finanzielle Risiken falsch bemessen worden wären, sondern weil sich Paare trennen, ein Partner stirbt oder berufsunfähig wird.

Dass die Deutschen derzeit für einen Bauboom sorgen, liegt auch mit an der Zinspolitik der Europäischen Zentralbank. Statt ihr Geld zur Bank zu bringen, legen es viele Verbraucher in einer Immobilie an - nicht zuletzt auch um ihr Leben im Alter zu sichern. Etwas, das der Bundesregierung eigentlich recht sein sollte, zumal viel zu wenige Bundesbürger im Alter ein Auskommen haben werden.

Doch das Regel-Ungetüm namens "Wohnimmobilienkreditrichtlinie" erschwert gerade dies. Und das zeigt leider, dass die Bundesregierung Angst vor der Risikobereitschaft ihrer Bürger hat, ihnen nur wenig zutraut und ein unzureichendes Verständnis von Finanzdingen besitzt. s.schwadorf@volksfreund.de

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