Auf goldenem Tablett serviert

Selten hat sich jemand politisch und militärisch derart radikal verkalkuliert wie der georgische Präsident Mickail Saakaschwili. Als er Truppen in die abtrünnige Region Südossetien schickte, wollte er ein für alle Mal mit brutaler Gewalt einen Konflikt beseitigen, für den es nur eine politische Lösung geben kann.

Denn es war der Georgier Josef Stalin, der die kleine Bergregion am Südhang des Kaukasus Georgien zuschlug, während Nordossetien weiterhin zur russischen Sowjetrepublik gehörte. Wirtschaftlich waren und sind die geschätzten 70 000 Südosseten von Moskau abhängig, die meisten haben einen russischen Pass.

Auch der zweite Konfliktherd im Kaukasus ist eng mit dem Namen Stalin verbunden. Während seiner Herrschaft wurde Abchasien als autonomes Gebiet Georgien zugeschlagen. Die meisten der geschätzt 125 000 Einwohner haben russische Ausweise.

Wie konnten unter diesen Umständen der georgische Präsident und der Rest der Weltgemeinschaft auch nur einen Moment lang glauben, Russland würde stillhalten, während Saakaschwili kämpfen lässt?

Jetzt rächt es sich, dass Europäische Union und Nato nie mit dem nötigen Nachdruck versucht haben, zwischen den Konfliktparteien auf der Suche nach einem Kompromiss neutral zu vermitteln. Statt dessen legten sich vor allem die Amerikaner eindeutig zugunsten des georgischen Staatschefs fest. Da wundert es nicht, dass Saakaschwili in Südossetien Fakten schaffen wollte, solange sein bester Freund George W. Bush noch im Weißen Haus sitzt. Der ebenso eigenwillige wie unberechenbare Georgier fällt nicht zum ersten Mal unangenehm auf. Schon als er im Herbst letzten Jahres die Opposition im Land brutal niederknüppeln ließ, wurde klar, dass dieser angebliche Freund des Westens ein schwieriger und unzuverlässiger Partner ist.

Jetzt, wo die Welt gebannt und entsetzt in den Kaukasus starrt, wird wieder einmal der gravierendste Mangel westlicher Politik schmerzhaft deutlich: Es fehlt an abgestimmten, auf den jeweiligen Brennpunkt zugeschnittenen Strategien des Westens zur Konfliktlösung. Wenn die Panzer längst rollen, gibt es Appelle, hektische Diplomatie, mehr oder weniger professionell wirkendes Krisenmanagement, den ein oder anderen starken Satz in Richtung Russland.

Viel zu wenig, um dem selbstbewussten, machthungrigen und um sein kaukasisches Revier kämpfenden russischen Bären zu zähmen. Die mächtigen Männer im Kreml, Putin und Medwedew, werden erst dann nicht mehr schießen lassen, wenn die Dinge in ihrem Sinne geregelt sind. Den gewünschten Vorwand hat ihnen der Hitzkopf Saakaschwili mit seinem unmotivierten Zuschlagen in der letzten Woche quasi auf einem goldenen Tablett serviert.

d.schwickerath@volksfreund.de

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