Aus der Not geboren

Union und Grüne haben sich nicht gesucht, aber gefunden. Diese Bemerkung von CDU-Vize Thomas Strobl über das künftige Regierungsbündnis in Stuttgart, das seit dem Wochenende endgültig in trockenen Tüchern ist, passt auch auf die beiden anderen Koalitionen in Magdeburg und - vorbehaltlich einer noch ausstehenden, aber sehr wahrscheinlichen Zustimmung aller Beteiligten - in Mainz.

Es sind aus der Not geborene Farbenspiele des Wahlsonntags vom 13. März. "Kiwi" in Baden-Württemberg, eine "Kenia"-Koalition aus CDU, SPD und Grünen in Sachsen-Anhalt und eine "Ampel" aus CDU, SPD und Grünen in Rheinland-Pfalz - wirklich gewollt hat das niemand.
Ein Beinbruch ist das trotzdem nicht. Wer in den ungewohnten Bündnissen keine Liebesbezeugungen sieht, kommt auch nicht in Versuchung, sie als politische Projekte zu überhöhen. Erinnert sei nur an die schwarz-gelbe Bundesregierung, die 2009 euphorisch gestartet war, aber als selbst titulierte "Gurkentruppe" jämmerlich endete. Bestätigt wird indes die These, dass alle demokratischen Parteien untereinander koalitionsfähig sein müssen. Endgültig überholt ist dagegen die Überzeugung, es gebe geborene Partner in der deutschen Parteienlandschaft. Erste Kratzer bekam dieser Grundsatz schon mit der schwarz-grünen Regierungsbildung in Hessen. Nachdem die SPD nun im Südwesten marginalisiert wurde, kann sie sich der Grünen erst recht nicht mehr sicher sein.
Die Grünen sollten sich jetzt aber nicht als Reservepartner der Union verstehen. Denn wenn jeder mit jedem kann, wächst auch die Gefahr der Beliebigkeit. Was unterscheidet die Ökopartei denn am Ende noch in der politischen Landschaft, wenn sie zum Beispiel in der Flüchtlingsdebatte zweifelhafte Herkunftsländer letztlich genauso als sichere Drittstaaten einstuft wie die Union?
Auch diese ist kein politischer Monolith. Gegen die "schwarz-grüne Gefahr" macht die CSU bereits kräftig Front. Das sei kein Zukunftsmodell für den Bund, meinte jetzt Alexander Dobrindt. Ähnlich war es schon vor einigen Wochen von Markus Söder zu hören. Dahinter steckt ein strategischer Grundkonflikt in der Union. Während die Christsozialen angesichts einer starken AfD umso mehr auf konservatives Gedankengut setzen, für das die Grünen ein Störfaktor sind, kommt man in der CDU zu anderen Schlüssen: Mit einer inhaltlichen Ausrichtung stärker hin zur AfD würde man sich mehr Sympathien in der gesellschaftlichen Mitte verscherzen, als man Potenzial am rechten Rand gewinnen könnte. Diese Befürchtung ist nicht von der Hand zu weisen.
Das Stuttgarter Regierungsmodell ist also noch längst kein Fingerzeig für den Bund. Genauso wenig wie die Farbkombinationen in Magdeburg und Mainz. Sie zeigen aber, dass der demokratische Parteienstaat auch unter schwierigen Bedingungen funktioniert. Und das ist doch einigermaßen beruhigend.
nachrichten.red@volksfreund.de

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