Außer Kampfeinheiten ist alles denkbar

Berlin · Der überraschende Vormarsch der Islamisten in den Süden Malis und Frankreichs militärische Reaktion darauf haben Deutschlands Außenpolitik mächtig in Bewegung gebracht. Bisherige Überlegungen reichen nicht mehr.

Berlin. Der bislang gültige Berliner Plan, sich an einer europäischen Ausbildungsmission für die malische Armee irgendwann im Lauf des Jahres zu beteiligen, reicht nicht mehr aus. Wegen der aktuellen Entwicklung in Mali geht alles nun viel schneller - und wird militärischer.
Man wolle mit Frankreich solidarisch sein und helfen, sagte Außenminister Guido Westerwelle (FDP). Daher prüfe man eine medizinische, logistische oder auch eine humanitäre Unterstützung. Zu den logistischen Hilfen gehören möglicherweise Lufttransportkapazitäten für eine Eingreiftruppe des westafrikanischen Staatenbündnisses ECOWAS, die nun schon in den nächsten Tagen in Mali einrücken soll. Ursprünglich war ihr Einsatz erst im Herbst vorgesehen. Verteidigungsminister de Maizière wies jedoch darauf hin, dass die deutschen Transportflugzeuge in Afghanistan, im Kosovo oder anderweitig gebunden seien.
Ein Kampfeinsatz deutscher Soldaten in dem westafrikanischen Land ist in jedem Fall nicht vorgesehen. Das bekräftigte Westerwelle in einem Telefonat mit dem französischen Außenminister Laurent Fabius. Das betonte namens der Kanzlerin auch Regierungssprecher Steffen Seibert: "Ein Kampfeinsatz kommt nicht infrage". Eine inhaltliche Begründung dafür gab es nicht, nur den Hinweis, dass Frankreich Truppen in der Region stationiert habe und deshalb allein fähig sei, eine solche Mission durchzuführen.
Bundestag wird einbezogen


Allerdings unterstützte Berlin gestern rückhaltlos das französische Vorgehen. "Das war konsequent und richtig", sagte etwa de Maizière.
Was sich in jedem Fall beschleunigt, ist die geplante Ausbildungsmission der Europäischen Union für die malische Armee, an der sich Deutschland beteiligen will. Rund 200 europäische Soldaten sollen dafür entsandt werden. Wie viele davon aus Deutschland kommen werden, ist noch unklar.
Bei allen Aktionen will die Bundesregierung in jedem Fall den Bundestag einbeziehen. Dort stößt eine stärkere Unterstützung des Kampfes gegen die Islamisten bei SPD und Grünen auf weitgehende Zustimmung. Klar sei auch für seine Partei, dass Deutschland sich in Mali nicht an Kampfeinsätzen beteiligen könne, sagte der sicherheitspolitische Sprecher der SPD, Rainer Arnold, unserer Zeitung. Arnold: "Ich bin froh, dass der französische Präsident gehandelt hat." Die Islamisten seien eine Bedrohung "auch für uns in Europa, für unsere Art des Lebens". Jetzt müsse sich die gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik Deutschlands und Frankreichs bewähren.
Auch Grünen-Fraktionschef Jürgen Trittin plädierte für eine solche logistische Unterstützung. Er warf Westerwelle vor, immer nur zu sagen, "was alles nicht geht".
Für ein klares "Nein zum Krieg in Mali", warb hingegen die Linken-Abgeordnete Christine Buchholz. Die Linken-Außenpolitikerin Sevim Dagdelen verurteilte das französische Vorgehen sogar als völkerrechtswidrig.
Meinung

Nassauer in Nordafrika
Vordergründig ist die Lösung eines Problems in Nordafrika die Sache Frankreichs. Vielleicht noch Spaniens und Italiens. Nicht aber des weit entfernten Deutschlands. Zumal nur Frankreich genug Truppen vor Ort hat, um effektiv eingreifen zu können. Doch das kann im Fall Mali nicht die ganze Argumentation sein. Denn so wie Deutschlands Sicherheit auch am Hindukusch verteidigt werden musste, so muss um sie erst recht südlich des Mittelmeeres gerungen werden. Ganz zu schweigen von den deutschen Energieinteressen in der Region, von der Gasförderung bis zum Wüstenstrom-Projekt "Desertec". Westerwelles Doktrin von der unbedingten deutschen Zurückhaltung kommt in Mali an ihre Grenze. Wenn Berlin auch hier, so wie vorher in Libyen, nur die anderen die Kastanien aus dem Feuer holen lässt, macht es sich zum sicherheitspolitischen Nassauer, zum Schnorrer. Wenigstens logistisch, politisch und finanziell muss Deutschland deshalb den Kampf gegen die Islamisten in Mali unterstützen. Und zwar kräftig. nachrichten.red@volksfreund.de

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