CDU verfährt nach dem Motto "Augen zu und durch"

Berlin · CDU-Bundesvize Armin Laschet spricht sich angesichts des Erfolgs der AfD in Sachsen für eine offensive Auseinandersetzung mit der eurokritischen Partei aus. Ansonsten hält man sich an der Unionsspitze dazu eher zurück.


Berlin. Viele dieser Floskeln waren gestern im Konrad-Adenauer-Haus der CDU zu hören, die Politiker benutzen, wenn sie nicht so genau weiterwissen. Man müsse die AfD ernst nehmen, sich mit ihr auseinandersetzen, es gehe jetzt darum, die Wähler der Partei zurückzugewinnen. Und so weiter, und so weiter. In Wahrheit hat die Union noch keine überzeugende Antwort darauf, wie sie mit dem beinahe zweistelligen Erfolg der Eurokritiker bei der Sachsen-Wahl umgehen will. Deswegen legte sie sich gestern zunächst auf den einfachsten aller Wege fest - den des Abwartens.
Bei Angela Merkel wurde dies besonders deutlich. Nach den Gremiensitzungen ihrer Partei bemühte die Vorsitzende die Erkenntnisse von Wahlforschern: "23 Prozent der Wähler, die zu der AfD gewandert sind, kommen von der CDU. 77 Prozent kommen woanders her." Merkels Botschaft: Die Union allein hat kein AfD-Problem, die anderen haben\'s auch. Also nur keine Aufregung. Außerdem: "Mein Ziel ist, dass sie möglichst bald wieder eine geringere Rolle spielt, das ist klar", so Merkel.
Doch dazu muss man erst einmal genau wissen, inwieweit die AfD mit ihrem Erfolg in Sachsen tatsächlich in der deutschen Parteienlandschaft angekommen ist. Aufschluss darüber könnten die beiden nächsten Landtagswahlen in Brandenburg und Thüringen geben, die in zwei Wochen stattfinden. Schafft die AfD auch in diesen Ländern den Sprung in die Parlamente?Kein Gedanke an Koalition


Bis das klar ist, will die Union die Diskussion um ihr Verhältnis zu der Partei möglichst klein halten. Augen zu und durch. Koalieren will man mit ihr auf keinen Fall, nicht in Sachsen, auch nicht in Thüringen und Brandenburg. Das wurde gestern von führenden Christdemokraten verkündet.
Das Ergebnis der AfD sei auch von Protest geprägt, erklärte Merkel weiter. "Diesen Protest müssen wir dadurch auflösen, dass wir als Union, als CDU, die Themen ansprechen und lösen, die die Menschen vor Ort bewegen."
Viele in ihrer Partei sehen das Problem jedoch etwas tiefgründiger angelegt. Mit Merkel an der Spitze ist die Union nach links gerutscht und hat rechts einen Freiraum entstehen lassen. Diese Leerstelle, so heißt es, besetze jetzt die AfD. Und das durchaus geschickt, indem sie sich unter anderem als die wahren Konservativen stilisiere. Bislang hatte sich die Union das Prinzip des Totschweigens auferlegt - nur nicht zu viel über die Konkurrenz am äußeren Rand reden, lautete die Devise. Um sie nicht aufzuwerten.
Merkels Stellvertreter Armin Laschet aus Nordrhein-Westfalen riet aber schon einmal vorsichtig dazu, sich "offen" mit der AfD anzulegen. "Das ist die Methode, der Partei zu begegnen."
Mag sein. Die AfD selbst machte gestern keinen Hehl daraus, dass sie um das Dilemma in der Union weiß und sich darüber freut. Mehr noch: Die sächsische Spitzenkandidatin Frauke Petry goss genüsslich Öl ins Feuer. "Ich denke, es ist an der Zeit, dass Frau Merkel und auch Herr Kauder die AfD endlich ernst nehmen", meinte sie bei einer Pressekonferenz in Berlin. Anbiedern will man sich aber nicht: "Wir sollten um Gottes willen der CDU nicht hinterherlaufen", warnte ein führender AfD-Politiker.Meinung

Fleisch vom Fleische
Angela Merkel macht es sich zu einfach. Die AfD ist nicht nur, aber vor allem Fleisch vom Fleische der CDU. Und die Wahrscheinlichkeit ist groß, dass die Eurokritiker bei den kommenden Landtagswahlen ebenfalls erfolgreich abschneiden werden. Spätestens dann hat die Union endgültig einen Herausforderer auf ihrem politischen Spielfeld. Was der SPD mit den Linken übrigens schon seit Jahren zu schaffen macht. Der alte Grundsatz, rechts der Union dürfe es keine ernstzunehmende Formation geben, gerät damit vollends ins Wanken. Denn genau am konservativen bis hin zum rechten Rand agiert und fischt die AfD. Und eines muss man ihr zugestehen: Sie polarisiert, sie ruft zum Teil die Themen auf, die die Etablierten mit ihrer Konsenspolitik aus den Augen verloren haben. Das ist ein großer Fehler aller gewesen, der die AfD stark gemacht hat. Es reicht eben nicht, manche Dinge für alternativlos zu erklären. nachrichten.red@volksfreund.de

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort