Das Denken von Buchhaltern

Kameralistik prägt das Denken der meisten Finanzminister, auch das des amtierenden. Einnahmen und Ausgaben sollen in Einklang gebracht werden und da, wo sich an den Ausgaben nichts drehen lässt, werden die Steuerlasten erhöht.

Von ökonomischer oder gesellschaftspolitischer Strategie keine Spur. Nur das Denken von Buchhaltern. Am Ende landen sie bei der kleinsten Konjunkturkrise alle da, wo sie nicht hin wollten: tief im Minus.

So auch Peer Steinbrück. Seine Bauchlandung vor dem Verfassungsgericht erfreut. Allzu fragwürdig war die Konstruktion, die Fahrt zur Arbeit bis Kilometer 20 nicht als Werbungskosten anzuerkennen, danach aber schon. Und allzu geistlos war die Begründung, man müsse eben die Kasse sanieren. Die bessere Absetzbarkeit von Krankenkassen-Beiträgen wurde der Regierung ebenfalls schon von den höchsten Richtern verordnet. Und wetten wir? Auch die kalte Progression wird noch kippen.

Steinbrück predigt immerfort, dass der Staat seine Einnahmen für die Gemeinschaft brauche. Das ist wahr. Nur gäbe es für diese Predigt entschieden mehr Akzeptanz, wenn die Bürger das System von Steuern und Abgaben auch als einfach und gerecht empfinden könnten. Das ist es nicht, denn es ist kompliziert und belastet die normal arbeitenden Menschen überproportional. Damit würgt es wirtschaftliche Dynamik ab.

Steinbrück hat grundlegende Reformen von vornherein abgelehnt und jedes Nachdenken darüber eingestellt. Angela Merkel, der die Wahlkampfdebatte des Jahres 2005 - Stichwort Kirchhof - in den Knochen saß, war keinen Deut mutiger. Das deutsche Steuersystem ist geprägt von teilweise absurden Ausnahmeregelungen, die alles und jeden berücksichtigen. Es fördert mit der Pendlerpauschale die Zersiedelung der Landschaft. Aber jedes Drehen an einer Schraube hier führt sofort zu einer Ungleichbehandlung da.

Dass Steinbrück und Merkel nun zu dem Schluss kommen, zunächst die alte Pendlerpauschale wieder herzustellen statt sie, was viel sinnvoller wäre, komplett zu streichen und durch einen höheren Arbeitnehmer-Pauschbetrag zu ersetzen, liegt daran, dass beide keine steuerpolitische Fantasie haben und zudem in der Debatte um Konjunktur-Impulse völlig in die Defensive geraten sind.

Nun versuchen sie, die gerichtlich erzwungene Rückzahlung als ihre Krisenreaktion gegen die Nachfrageschwäche zu verkaufen. So viel Frechheit war selten.

nachrichten.red@volksfreund.de

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