Deutschland unter Verdacht: Wegen VW schnürt misstrauische EU-Behörde ein rigoroses Reformpaket

Brüssel · Solche rigorosen Ansagen sind selten in Brüssel. Einem Paukenschlag gleicht der nun bekannt gewordene Gesetzentwurf der EU-Kommission, mit dem sie Konsequenzen auch aus der VW-Abgasaffäre ziehen will.

Ein europäisches Aufsichtssystem soll installiert werden, das mögliche Kungeleien etwa zwischen Kraftfahrbundesamt und Autoherstellern bei dem Modellzulassungen verhindern soll. Den Prüfern des Tüv und der Dekra soll ebenfalls über die Schultern geschaut werden. Einmal erteilte Zulassungen könnten künftig in jedem anderen EU-Land zurückgenommen werden, wenn eine nationale Behörde zu lasch reagiert. Kurzum: Aus jedem dieser Vorschläge trieft tiefes Brüsseler Misstrauen gegenüber den Prüf- und Aufsichtsstrukturen im Automobilsektor, die es nicht selbst vermocht haben, Volkswagen auf die Schliche zu kommen.

Solange es keine stichhaltigen Beweise dafür gibt, dass auch außerhalb Wolfsburgs betrogen worden ist, könnte man von Sippenhaft oder Generalverdacht sprechen. Schon rein praktisch aber müssen sich alle Reformen nun auf die gesamte Branche beziehen - es hätte keinen Sinn, auf europäischer Ebene ein zweites VW-Gesetz zu schaffen. Gerade die Verbraucher dürfen sich freuen, wenn künftig alle Akteure auf mehr Transparenz und Unabhängigkeit verpflichtet werden. Die Idee etwa, dass die Zulassungsprüfer des Tüv oder der Dekra künftig nicht mehr von einzelnen Herstellern bezahlt werden, sondern aus einem Fonds der gesamten Autobranche, ist gut.

Als problematischer könnte sich der Plan erweisen, dass künftig jeder Mitgliedstaat Autos mit Sicherheits- oder Umweltmängeln selbst von der Straße nehmen kann und nicht mehr auf das Land warten muss, wo die Typengenehmigung ursprünglich ausgestellt wurde. Auf der Habenseite erhöht das zwar den Druck auf die Hersteller, wirklich regelkonforme Autos zu bauen. Im Umkehrschluss könnte dieses Verfahren jedoch auch politisch von einer Regierung missbraucht werden, um heimische Hersteller zu stärken - und die Prinzipien des EU-Binnenmarkts untergraben. Ohne entsprechende Kontrollen dürfte dieser Teil des beeindruckenden Gesetzespakets unter den EU-Staaten schwerlich mehrheitsfähig sein. Auf jeden Fall sorgt die polnische Kommissarin in der Branche damit für reichlich Gesprächsstoff.

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