Die Getriebenen

Vertrauen ist das Gebot der Stunde. Wenn es verlorengeht, droht der Herzstillstand der Wirtschaft. Können die Deutschen Angela Merkel und Peer Steinbrück in dieser Situation vertrauen? Ja und nein.

Ja, was ihr aktuelles Krisenmanagement angeht. Die Staatsgarantie für alle Sparer hat eine drohende Massenpanik gestoppt. Und bei der IKB wie bei der Hypo Real Estate hat die Regierung eine mögliche Lawine weiterer Bankenpleiten aufgehalten. Beides aber nur zunächst.

Nicht vertrauen kann man der Weitsicht der Regierung. Vor drei Wochen noch meinte sie, dass der Crash im Wesentlichen auf die USA beschränkt bleibe. Das deutsche Banksystem sei besser. Das war Hochmut, der wertvolle Zeit kostete. Dann glaubte sie, deutsche Banken seien nur am Rande betroffen. Das hat nicht gestimmt. Die Regierung meinte zudem, ein europaweites Vorgehen sei nicht notwendig. Ein Wettlauf nationaler Staatsgarantien war die Folge. Dieser Fehler wurde erst jetzt von den EU-Finanzministern behoben. Und schließlich versichert die Regierung weiterhin - auch Angela Merkel gestern im Bundestag - , die Auswirkungen auf die Realwirtschaft blieben überschaubar. In der Autoindustrie aber stehen schon die ersten Bänder still. Merkel wie Steinbrück, Union wie SPD, sind Getriebene der Ereignisse. Ob Helmut Schmidt das auch passiert wäre? Die Krise stellt die Systemfrage. Nicht die nach dem Sozialismus. Der ist schon lange gescheitert. Aber die zwischen der sozialen Marktwirtschaft und dem anglo-amerikanischen Kapitalismus, der jetzt gerade scheitert. Die Konsequenz aus der Krise heißt, dem Neoliberalismus abzuschwören. Also Extra-Profite zu minimieren, die Spekulation zu beschränken, Steueroasen auszutrocknen, Managergehälter zu begrenzen, insgesamt wieder für eine gleichmäßigere Verteilung von Chancen wie Reichtümern in der Gesellschaft zu sorgen. Diese Krise muss zu einer Renaissance des Staates führen. Das ideelle Gesamtinteresse muss sich wieder durchsetzen. Der Staat darf rechts- und moralfreie Räume nicht dulden, erst recht nicht bei denen, die über Macht und Kapital verfügen.

Angela Merkel hat gestern bei ihrer Regierungserklärung die meisten dieser Schlussfolgerungen genannt und betont, sie seien schon lange Richtschnur ihres Handelns. Das stimmt nicht ganz. Sie sind Richtschnur ihrer Worte. In der Realität hat die Regierung sich entweder international bisher nicht durchsetzen können oder sie hat ihre Ziele - siehe etwa die Begrenzung der Managergehälter - national gar nicht ernsthaft verfolgt. Vertrauen verdienen nur Taten.

nachrichten.red@volksfreund.de

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